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Archiv-Artikel

Esel mit entspannter Logik

Stephen Wilks schickt interaktive Esel auf Reisen und flaniert ansonsten mit treffsicherem Fotografen-Auge durch die Großstadt. Eine gut geerdete Werkschau des britischen Künstlers zeigt die GAK unter dem Titel „Travels with my Donkey and Other Stories“

„Von einem haben wir zuletzt gehört, als er in Jordanien war. Esel sind unabhängig.“

Er ist der Meister der Entschleunigung. Dabei intelligent, treu und geduldig. Als Stadtmusikant hat er revolutionäres Feuer im Gebein. Der Esel, man kann sich‘s nicht verkneifen, der Esel ist ein toller Hecht. Und dabei steht er seit Jahrhunderten im Schatten des Pferdes. Denn auf hohem Ross wird gerne gesessen. Aber das ist das große Spiel. Und dass der Esel im großen Spiel nicht dabei ist, das macht ihn sympathisch. In der Ausstellung „Travels with My Donkey and Other Stories“ in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) macht es ihn darüber hinaus: kunstfähig.

Der britische Foto- und Performance-Künstler Stephen Wilks hat den Esel erkannt als Freund, mit dem sich den Anmaßungen der Welt entgegentreten lässt. Wilks Esel ist annähernd lebensgroß und er ist aus Stoff, selbst genäht. Wilks Welt ist seit 1998 Berlin, und diese Welt ist voll von Dingen, denen der Anblick eines Esels gut tut: Friedrich der II. zum Beispiel, wie er unter den Linden dasitzt – protzig und natürlich hoch zu Ross. Oder der Triumphwagen auf dem Brandenburger Tor, gezogen – von vier Rössern. Oder auch Claudia Schiffer, Herrscherin über das Erscheinungsbild schwarzer Unterwäsche – zumindest auf dem Werbeplakat in der U-Bahn.

Der Esel bewegt sich fort, indem Wilks ihn trägt. Diese Rollenverteilung ist Programm: „Alles ist verkehrt“, sagt der 39-jährige Künstler und lässt sich mit dem Esel auf dem Rücken an den Orten der Macht ablichten. Außerdem trägt er seinen Esel in den Zoo und zeigt ihn den Bären und Elefanten und er trägt seinen Esel auf ein Hochhausdach, wirft ihn hinunter und fotografiert ihn im Fliegen. Entstanden sind so schräge, trashige Großstadt-Fotos, allesamt inszeniert mit großem infantilen Spaß an der Irritation.

Die Fotos sind der eine Teil von Wilks Esel-Arbeit, der andere ist das interaktive Projekt „Trojan Donkey“. Wilks hat insgesamt vier Esel an Leute in anderen Ländern vergeben mit dem Auftrag, ein Objekt freier Wahl im Bauch des Esel zu platzieren und den Esel weiterzugeben. Wilks: „Die Esel sind unterwegs in Frankreich, Polen, Holland, Australien. Ich weiß nicht immer, wo sie sind. Von einem haben wir zuletzt gehört, als er in Jordanien war. Die Esel sind unabhängig, sie reisen selber.“ Und sie stellen keine Ansprüche: „Wie die Leute mit dem Esel umgehen, bleibt völlig offen. Das Projekt soll nicht pushy sein und dabei seine eigene Logik entwickeln.“

Den Kontakt versucht Wilks per E-Mail und Brief zu halten. Für die Ausstellung in der GAK ist es ihm gelungen, zwei der Esel mitsamt ihren Beigaben zurückzuholen: Vor allem Briefe und Zeichnungen von Kindern haben die Gastgeber den Eseln mitgegeben, Wilks hat alles auf CD-Rom archiviert und macht die Datenbank in der Ausstellung zugänglich. Ein neuer Esel ist gerade im Entstehen, er soll demnächst seine Reise in Bremen beginnen.

Neben den Früchten des Esel-Projekts zeigt Wilks in der GAK in zwei Räumen auch das, was er hauptsächlich macht: Fotografien. Wilks ist dabei ganz der Flaneur, der zeigt, was er an Schönem in der Großstadt vorfindet. Eine Plastikgabel schwebt da zum Beispiel schwerelos durch‘s Bild, erst beim zweiten Hinsehen erkennt man, dass sie auf einem zugefrorenen Teich liegt. Der Fernsehturm am Alexanderplatz wirft einen gigantischen, formschönen Schatten auf ein benachbartes Hochhaus. Ein Burger-King-Plastik-Becher steht wie eine Ikone inmitten einer menschenleeren U-Bahntreppe. Wilks versucht die Veredelung der Großstadt, sein Joker ist das Aufspüren von Motiven mit treffsicherem Auge – eine unangestrengte Feier dessen, was einfach da ist, und doch nicht jeder sieht.

Zu einer Installation aus wandernden Gipsfiguren in Plastikflaschen-Form sagt Wilks: „Das ist noch nicht fertig. Ich bin mir noch nicht sicher, worum es dabei geht.“ Sei‘s als interaktiver Projektmanager, als flanierender Fotograf oder als Objektkünstler: Wilks ist mit seiner Kunst ganz nah am Boden geblieben. Die hohen Rösser überlässt er anderen. Und schafft es, dabei nicht platt zu werden. Klaus Irler

bis 9. Juni in der GAK. Öffnungszeiten: Di bis So 11-18 Uhr. Kontakt zum Projekt: trojandonkey@hotmail.com