: Auf den Hund gekommen
Am Donnerstagabend diskutierten Daniel Kehlmann und Sebastian Kleinschmidt im Brecht-Haus unter anderem über simulierende Papageien und die schwierige Frage, ob Gott eigentlich Humor hat
VON ANDREAS RESCH
Der Schriftsteller Daniel Kehlmann ist ein überaus sympathischer Zeitgenosse. Jemand, bei dem man sich gut vorstellen kann, ihn auf einer Party zu treffen und entspannt bei einem Bier über dies und jenes zu plaudern. Nun ist es allerdings so, dass Kehlmann vor einigen Jahren mit „Die Vermessung der Welt“ quasi den Bestseller des neuen Jahrtausends veröffentlicht hat – einen „Lotteriegewinn“, wie der Autor in seiner ironisch-bescheidenen Art den unerwarteten Erfolg einmal genannt hat.
Seither ist Daniel Kehlmann ein äußerst gefragter Gesprächspartner, so gefragt, dass jetzt bei Matthes & Seitz ein Buch erschienen ist, in dem auf knapp einhundertdreißig Seiten eine Serie von Gesprächen festgehalten worden ist, die Sebastian Kleinschmidt, Herausgeber der Zeitschrift Sinn und Form, mit dem 1975 in München geborenen Schriftsteller geführt hat, der inzwischen sowohl in Wien wie in Berlin lebt.
Der Titel, „Requiem für einen Hund“, ist übrigens eine Hommage an Kehlmanns kürzlich verstorbenen Hund Nuschki, der sämtlichen Gesprächen beiwohnte und diese durch gelegentliches Knurren bisweilen auch kritisch kommentierte.
Am Donnerstagabend fand im Literaturforum im Brecht-Haus eine Lesung mit Texten aus diesem Buch mit anschließender Fortführung des Gesprächs zwischen Kehlmann und Kleinschmidt statt. In den von der Schauspielerin Meike Schlüter lebendig vorgetragenen Passagen ging es hauptsächlich um Tiere, die ja, so Kehlmann, „im Allgemeinen besser angezogen sind“ als wir Menschen. Deren angeborene Grazie rühre wohl daher, dass sie „keine Selbstentfremdung kennen“. Sich auf Saul Bellow und Schopenhauer berufend, entwarfen Kehlmann und Kleinschmidt im Folgenden eine Art Phänomenologie des Tier-Seins, in der herausgearbeitet wurde, warum Tieren das Geworfen-Sein in die Welt (noch) fremd ist. Die Glücklichen.
In den anschließend gelesenen Textstellen wurden unter anderem Fragen wie: „Hat Gott Humor“ erörtert, die zwar, wenn man es genau nimmt, von ähnlicher Relevanz sind wie die Frage nach der Zahl der Engel, die durch ein Nadelöhr passen – aber lustig war’s trotzdem, da die Gesprächspartner immer wieder Anekdoten über Tolstoi, Kraus oder Goethe und deren Fantasien bezüglich der Überwindung des Todes durch Literatur in die Diskussion einstreuten. Zudem gelang den Texten der schwierige Balanceakt, zwar plaudernd-abschweifend, dabei jedoch nie belanglos zu sein. Auch den Sprung aus der Schriftlichkeit zurück in die gesprochene Sprache meisterten sie ohne größere Probleme. Nur gelegentliche Denkpausen vermisste man.
Das Live-Gespräch wurde dann autoreflexiv mit der von Sebastian Kleinschmidt postulierten Frage eröffnet, was denn überhaupt ein gutes Gespräch ausmache. Dessen primäre Qualität sah Daniel Kehlmann vor allem im „Vorantreiben eines Gedankens, in der Möglichkeit eines Aber, eines Widerspruchs“. Beide konstatierten eine allgemeine gesellschaftliche Tendenz hin zur Vermeidung tiefschürfender Gespräche, weshalb das Projekt auch ein persönlicher Glücksgriff für die beiden zu sein scheint.
Lustig wurde es, als Sebastian Kleinschmidt erzählte, dass sein Vater – obwohl doch ein großer Partyunterhalter – ihm früher nie vorgelesen habe, „weil er Kinder wohl im Grunde langweilig fand“, und Kehlmann trocken erwiderte, dass man ihm das „ja eigentlich nicht verübeln“ könne. Oder als Kleinschmidt von einem Papageien berichtete, der die Asthmaanfälle seines Besitzers lebensecht imitieren konnte und diese jedes Mal mit dem um Atem ringenden Satz „Jetzt geht’s wieder“ abschloss.
Als ein Zuhörer sich über das „Parlando“ der Gesprächspartner echauffierte und Kehlmanns Aussagen über Gott „Naivität“ unterstellte, wurde es dann noch einmal für einen Augenblick ernst, doch der Konflikt ward alsbald charmant entschärft. Was diesen Abend zu einem solch angenehmen machte, war die Eloquenz und Denkgewandtheit beider Gesprächspartner, die sich nie in eitler Selbstbespiegelung ergingen und, selbst wenn es um die scheinbar banalsten Dinge ging, immer den Blick auf die existenziellen Grundfragen der menschlichen Existenz gerichtet hielten.
Daniel Kehlmann/Sebastian Kleinschmidt: „Requiem für einen Hund. Ein Gespräch“. Matthes & Seitz. 129 S., 12,80 €