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Archiv-Artikel

Wie ein Sandsturm

Paris hofft, dass sich der Irak schon bald an die guten Geschäftsbeziehungen zu Frankreich erinnert

aus Paris DOROTHEA HAHN

Das Geschäft mit dem Irak ist in Paris ein Tabu-Thema geworden. Unternehmer, die jahrelang mit großen Ständen auf der Industriemesse in Bagdad vertreten waren, wollen sich nicht mehr öffentlich äußern. Das Finanzministerium löst eine zusammen mit dem Unternehmerverband Medef eingerichtete Arbeitsgruppe über die Nachkriegszeit schon vor der ersten Sitzung wieder auf. Und der Politologe Pascal Boniface vom Institut für internationale Beziehungen (IFRI), spricht vom Irak als „53. Handelspartner“ Frankreichs, der bloß 0,3 Prozent der Importe und 0,2 Prozent der Exporte ausmache.

Auf Tauchstation ist auch der franko-irakische Freundschaftskreis im Senat gegangen. Dabei hatte er noch Ende 2001, nach einem Besuch in Bagdad, einen euphorischen Bericht über die wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgelegt. „Der irakische Markt bleibt interessant“, hieß es darin. Und: „Die Zerstörungen des Kriegs und die Embargoeffekte machen ihn zu einer gigantischen potenziellen Baustelle für den Wiederaufbau.“

Tatsächlich war der Irak jahrzehntelang ein wichtiger Handelspartner. Nach der Verstaatlichung der Erdölraffinerien 1972 bezog die „Compagnie française des petroles“ (CFP) ein Drittel des von ihr verarbeiteten Öls aus dem Golfstaat. Und auch beim UN-Programm „Öl gegen Nahrungsmittel“ stand Frankreich ganz oben auf der Liste der bevorzugten Geschäftspartner des Irak. Im Jahr 2000 tauschten die beiden Länder Waren im Wert von 1,8 Milliarden Euro aus. Das französische Ansehen in Bagdad war so gut, dass auch deutsche und sogar US-amerikanische Firmen es vorzogen, ihre Irak-Geschäfte über französische Tochterunternehmen abzuwickeln.

Bereits in den letzten Jahren sondierten große französische Konzerne das Terrain für die Nach-Embargo-Zeit. So führten die beiden inzwischen fusionierten Mineralölkonzerne Elf und Total Gespräche über Förderrechte für die bei Bassra gelegenen Ölfelder Nahr Umar und Majnoon, Letzteres das größte des Landes. Einen unterschriebenen Vertrag – wie zwischen dem Irak und der russischen Lukoil – hat der französische Konzern nach übereinstimmenden Informationen aus Paris und Washington zwar nicht zustande gebracht. Wohl aber gab es Aussichten auf eine Unterzeichnung nach dem Ende des Embargo-Regimes. Ähnliche Perspektiven hatten französische Unternehmer bei der Telekommunikation, bei Hochgeschwindigkeitszügen und bei Kraftwerken.

Die US-Regierung könnte nun all diese Erwartungen durchkreuzen. „Krieg ist immer eine Umverteilung“, sagt der französische Irakspezialist Gilles Munier, „in diesem Fall wollen die USA alles für sich behalten und uns ein paar Brosamen lassen.“ Der Mitgründer der „Vereinigung für den franko-irakischen Handel“ (Afice), der „rund 150 Mal im Irak“ war und Geschäftsleute bei Irakinvestitionen berät, glaubt jedoch nicht, dass es den USA gelingen wird, die komplette Kontrolle über den irakischen Markt zu erobern. „Es wird Widerstand geben“, prognostiziert er, „US-Kader werden ihr Leben riskieren, wenn sie in den Irak gehen.“

Andere französische Unternehmer mit Irakerfahrung sehen die Lage weniger dramatisch. „Sobald eine Normalisierung eintritt, werden sich die Iraker an ihre alten Geschäftsverbindungen erinnern“, sagt einer, der ungenannt bleiben will, „an die 50.000 Lkw von Mercedes und an die medizinischen Geräte aus Frankreich. Man kann den Handel nicht so einfach ändern wie die politischen Verhältnisse.“

Auch beim französischen Mineralölkonzern TotalFinaElf gibt man sich gelassen. Dort gilt, dass Verträge erst in einigen Monaten aktuell werden – wenn es in Bagdad eine „stabile und legitime“ Regierung gibt. Dass Frankreich dabei wegen seiner Antikriegsposition zu kurz kommen könnte, befürchten die Ölexperten nicht. Begründung: Fördergeschäfte sind immer eine Zusammenarbeit verschiedener multinationaler Konzerne – schon um die Risiken der milliardenschweren Investitionen zu streuen. Die US-Firmen würden zwangsläufig auch Franzosen beteiligen.

In der franko-arabischen Handelskammer in Paris bezweifelt Präsident Serge Boidevaix, dass die USA überhaupt die Berechtigung haben, rechtsgültige Verträge für den Irak abzuschließen. „Das ist wie ein Sandsturm“, beschreibt er die gegenwärtige Situation: „Es gibt keinen Staat, keine Autorität.“ Wer sollte da einen Vertrag unterschreiben?