Syrien gerät ins US-Visier

USA prüfen Sanktionen gegen Syrien. Britischer Außenminister wirft Damaskus Kooperation mit Saddam Hussein vor. Aber kein Angriff geplant. Die Türkei und die EU rufen die USA zur Mäßigung auf

BERLIN rtr/afp/dpa ■ Die USA wollen nach den Worten von Außenminister Colin Powell prüfen, ob diplomatische und wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Syrien verhängt werden sollen. „Natürlich werden wir die Möglichkeit solcher Maßnahmen untersuchen“, sagte Powell am Montag in Washington. Er hoffe aber, dass Syrien seine „Verpflichtungen“ verstehe, dem Terrorismus eine Absage erteile und den führenden Mitgliedern des irakischen Regimes keinen Unterschlupf gewähre, erklärte der Minister. Neben den USA hat auch Großbritannien Syrien eine Zusammenarbeit mit dem entmachteten irakischen Präsidenten Saddam Hussein vorgeworfen. „Es gibt jede Menge Beweise für eine Kooperation zwischen der syrischen Regierung und dem Saddam-Regime in den vergangenen Monaten“, sagte der britische Außenminister Jack Straw gestern. Straw hatte zuvor erklärt, Großbritannien und die USA hätten nicht die Absicht, nach Irak Syrien anzugreifen.

Der britische Premier Tony Blair wies gestern im Parlament Spekulationen über einen Angriff auf Syrien als „wilde Gerüchte“ zurück. Es gehe derzeit allein darum, ob Syrien ranghohen irakischen Politikern Unterschlupf gewähre, sagte Blair.

Die USA haben Syrien in den vergangenen Tagen unter anderem vorgeworfen, Mitgliedern der irakischen Führung Unterschlupf zu gewähren. Syrien hat dies zurückgewiesen. Seit Freitag kontrollieren US-Truppen die größten Übergänge an der syrisch-irakischen Grenze.

Auch Israel erhöhte den Druck auf Syrien. „Wir haben eine lange Liste von Forderungen, die wir gedenken, den Syrern vorzulegen, und dies sollte durch die Amerikaner getan werden“, sagte Verteidigungsminister Schaul Mofas der Zeitung Ma’ariv. Zuerst müsse die Bedrohung durch die Hisbullah aus dem Südlibanon beendet werden.

Die türkische Regierung warnte die USA eindringlich davor, nach dem Krieg im Irak jetzt andere Staaten der Region wie Syrien oder Iran ins Visier zu nehmen. Äußerungen aus Washington, in denen die Möglichkeit neuer Konflikte mit Damaskus oder Teheran angedeutet würden, seien „sehr beunruhigend“, sagte Außenminister Abdullah Gül gestern in Ankara.

Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer und der Koordinator der EU-Außenpolitik, Javier Solana, mahnten beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg Zurückhaltung gegenüber Syrien an. Fischer sagte: „Wir sollten uns darauf konzentrieren, den Frieden zu gewinnen und nicht in eine neue Konfrontation zu geraten.“ Solana forderte die USA auf, sich im Ton gegenüber Syrien zu mäßigen.

Den Vorwurf der USA, Syrien besitze Massenvernichtungswaffen, wies die Sprecherin des Außenministeriums in Damaskus gestern zurück. Die Amerikaner hätten jahrelang davon gesprochen, dass es Massenvernichtungswaffen in Irak gebe. Bisher hätten sie dafür noch keine Beweise. „Ich möchte anmerken, dass es biologische, chemische und atomare Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten gibt. Sie sind in Israel, nicht in Syrien“, sagte Buthaina Schaaban in einem Fernsehinterview.