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Archiv-Artikel

Hilfe, eine SMS von Schily

Wer eine Sparkasse überfällt, sollte danach um Taxifahrer, Wirte oder Tankwarte besser einenBogen machen – die könnten von der Polizei längst eine Fahndungs-SMS erhalten haben. Kindisch

VON ARNO FRANK

Wer hat Otto Schily diesen Floh ins Ohr gesetzt? Es muss das bundesweite, flächendeckende und engmaschige Netz aus Sendemasten für die mobile Kommunikation gewesen sein. Ein schlechter Innenminister, der bei Worten wie „bundesweit“, „flächendeckend“, „engmaschig“ und „Netz“ nicht hellhörig würde. Und Otto Schily, Freund der Technik und der Biometrie, will ein guter Innenminister sein. Deshalb hat er zusammen mit Technikern des Bundeskriminalamtes (BKA) die pfiffige SMS-Fahndung ausgeheckt.

Künftig verschickt die Polizei ihre Fahndungsmeldungen also per Kurzmitteilung auf die Mobiltelefone von Menschen, die der Polizei gerne helfen wollen und sich deshalb registrieren lassen (www.sms-fahndung.de). Qualifiziert sind laut BKA vor allem Leute, „die sich berufsbedingt im öffentlichen Raum bewegen und im Rahmen dessen oftmals erheblich schneller als die Polizei hilfreiche Wahrnehmungen machen“.

Wer etwa eine Sparkasse zu überfallen beabsichtigt, der sollte danach um Taxifahrer, Wirte, Fahrlehrer, Postboten oder Tankwarte besser einen Bogen machen – die könnten mit den Bullen unter einer Decke stecken und längst eine SMS erhalten haben: „Bankraub, Polizei sucht zwei ca. 30-jährige Männer, Jeans, schwarze Jacken, flüchtig mit braunem 5er-BMW, Dortmunder Kennzeichen. Hinweise 110.“

Womöglich gibt’s noch ein illustrierendes MMS-Fahndungsfoto gratis dazu, mit einem polyphonen Martinshorn als Klingelton. Hier wird selbst der bräsigste Busfahrer wachsam und wichtig und als IM SMS mobil gemacht. Allerdings auf Kosten seiner „gefühlten Sicherheit“: Es dürfte alles andere als beruhigend sein, alle fünf Minuten mit den Details der neuesten Verbrechen gefüttert zu werden – überdies von Beamten, die diese Straftaten eigentlich verhindern sollten.

Aktenzeichen SMS ungelöst.

In den 70er-Jahren wurde die Jagd der Bevölkerung nach RAF-Terroristen noch mit Plakaten in Postämtern organisiert. Seine linke Hand hätte Generalbundesanwalt Buback damals dafür gegeben, wenn man ihm ein so „viel versprechendes Instrument“ (Otto Schily) zur Verbrechensbekämpfung in die Rechte gelegt hätte.

Dabei stehen dem ehemaligen RAF-Anwalt Schily heute noch ganz andere Mittel zu Gebote. „SMS-Fahndung“, darunter verstand man vor Jahresfrist Folgendes: Die Ermittler versenden eine für den Empfänger nicht lesbare SMS. So wird eine kurzzeitige Verbindung zum nächsten Sendemast aufgebaut – wie bei einem normalen Gespräch. Die Polizei weiß dann, in der Nähe welches Sendemasten sich der Verdächtige herumtreibt.

Das „internationale Novum“ der SMS-Fahndung ist also, wie der „short message service“ selbst, nichts weiter als ein technisches Abfallprodukt der Handy-Industrie. Und damit ein Spielzeug, für das sich – neben Otto Schily – vor allem Kinder interessieren. Jugendliche Kunden waren es, die durch überraschend exzessive Nutzung das Geschäft mit der SMS erst in Gang brachten. Fahndung per Kurzmitteilung? Das ist der feuchte Traum all jener schlichten Schnüffelgemüter, die auch „Die drei ???“ oder „TKKG“ unterhaltsam finden – also kindisch.