AUCH WENN VIELE PROTESTIEREN: DIE AUSBILDUNGSABGABE IST SINNVOLL
: Als ob der Staatssozialismus wiederkehrt

Es gibt politische Argumente, deren kann sich jeder bedienen und deswegen funktionieren sie nicht. Die geplante Ausbildungsplatzabgabe zerstöre Lehrstellen und gefährde den Standort Deutschland, drohen die Arbeitgeber. Das Gleiche könnten aber auch die Gewerkschaften sagen – über jene steigende Zahl von Betrieben, die keine Ausbildungsplätze mehr anbieten. Das sind die Maximalvorwürfe, Wortgeklingel.

Tatsächlich geht in Deutschland die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit Jahren zurück, das Verhältnis von Stellen zu BewerberInnen wird schlechter. Denn es kostet Geld, junge Leute auszubilden. Als die Unternehmen sich noch ihren Nachwuchs selbst heranziehen wollten, Ausbildung als Investition in Humankapital galt und die Fluktuation sich in Grenzen hielt, ging die Rechnung für die Betriebe trotzdem auf. Doch diese Strukturen haben sich geändert, dank der gerade auch von Unternehmern beschworenen flexiblen Arbeitswelt. Viele Firmen wollen mit der teuren Ausbildung der Jungen nichts mehr zu tun haben – und genau deswegen ist es angebracht, mit einer Umlage unter den Betrieben für etwas Ausgleich zu sorgen. Es ist billiger, Firmen mit Subventionen zu motivieren, Lehrstellen einzurichten, als junge Leute in teuren außerbetrieblichen Werkstätten zu beschäftigen, weil sie in der Wirtschaft nicht mehr unterkommen.

Das Problem der neuen Abgabe liegt allerdings in der Psychologie: Sie kommt in einer Zeit, in der eine fast schon hysterische Angst vor höheren Arbeitskosten und Sozialbeiträgen herrscht. Die Arbeitgeber jammern so lautstark, als hielte mit der Abgabe der Staatssozialismus Einzug, und mittelständische Unternehmen polemisieren, als ob sie durch die Kosten von einigen hundert Euro im Jahr unweigerlich in den Ruin getrieben würden. Vorrechnen kann das bisher zwar niemand, aber die Parolen verfangen doch. Die Regierung balanciert also auf einem schmalen Grat. Vielleicht muss die Diskussion noch einmal grundsätzlich geführt werden: Die duale Ausbildung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, an der sich auch die Wirtschaft beteiligen muss – gerade im Kapitalismus.

BARBARA DRIBBUSCH