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Archiv-Artikel

new yorker rauchzeichen von PIA FRANKENBERG

Seit zwei Wochen haben wir Bürger New Yorks Gelegenheit, unser Nachtleben in rauchfreier Umgebung zu genießen. Während im Irak die Bomben fielen, Paläste und Häuser brannten und die Irakis sich nach rauchfreien Zonen sehnten, schützte unser besorgter Bürgermeister uns nicht nur vor potenziellen Terrorangriffen, sondern auch vor den gesundheitsschädlichen Gefahren des Passivrauchens.

Das neu verordnete Rauchverbot in Bars und Lokalen treibt derweil interessante Blüten. Aus zuverlässiger Quelle wurde mir von einer neuen Variante der Beziehungsanbahnung berichtet, wie sie inzwischen vor den Bars der Lower East Side und im Village praktiziert wird: Die Jungs hängen vor den Läden rum, ohne sich – wie bei romantischen „Dates“ sonst üblich – für Drinks und andere Ausgaben unnötig in Unkosten schmeißen zu müssen, und warten, bis nikotinsüchtige Weiblichkeit sich draußen einstellt. Dann studiert man das Angebot.

Ich traf mich derweil mit einem kettenrauchenden Freund in seiner Stammkneipe, alle Hoffnung auf den zum Gesetzesbruch bereiten Wirt setzend, doch selbst dort regierte der neue Wille zur Volksgesundheit. Draußen regnete es in Strömen, wir klammerten uns tapfer eine Weile an unsere Biere, bis der Freund als Erster weich wurde und nervös an seiner Schachtel fummelte.

Der Wirt hatte Mitleid und öffnete uns die Tür zu seinem Hinterhof, wo er zur romantischen Begleitung unseres Outings eine funzelige Lichterkette einschaltete. Von einem undichten Wellblechdach tropfte es uns in den Nacken, der Regen plätscherte ins Bier, wir stellten unsere Mantelkrägen hoch und zogen schlotternd an feuchten Glimmstängeln, als jenseits des Hinterhofs plötzlich heftiger Kampflärm zu uns herüberschallte. Gleich darauf flackerte die Brandmauer des Nachbargebäudes im theatralisch roten Schein der New Yorker Blaulichter, und wir schlossen Wetten ab. „Prügelei“, sagte der Freund fachmännisch. „Teenagerkrawall“, hielt ich dagegen.

Eine Weile standen wir also im nasskalten, bengalisch beleuchteten Hinterhofambiente, lauschten Männergebrüll und Frauengekreische und fühlten uns wie in einem Film der schwarzen Serie: zwei Loser, Kippen zwischen den Zähnen, rauchvernebelt in irgendeiner verlassenen Gasse in schwerer Regennacht. Wir rauchten, als gäbe es kein Morgen, immerhin konnte uns jeden Moment von hinten jemand eins über den Schädel ziehen.

Glücklicherweise geschah nichts dergleichen, stattdessen hatte sich, wie wir zurück im Trockenen feststellten, einer der Kombattanten in unser Lokal geflüchtet, musste allerdings umgehend entfernt werden, weil er sich weigerte, zum Rauchen vor die Tür zu gehen. Auf dem Heimweg nieste mein Freund mehrmals, und am nächsten Tag lag er mit einer Erkältung flach. Am Sonntag gab es dann den ersten Toten, einen Türsteher, der in einem Club in Manhattan erstochen wurde, als er das Rauchverbot durchsetzen wollte. Es scheint, der gesundheitsfördernde Aspekt der Rauchfreiheit muss nochmal überdacht werden.