Hamburger Szene: Shanghai Millenium Station
Die Ansage aus dem Lautsprecher im Bahnhof Altona kommt regelmäßigen und ist immer dieselbe. „S 3 verkehrt nicht – Gleisarbeiten – Ersatzzug alle 20 Minuten ab Hauptbahnhof.“ – „Was, über Hauptbahnhof? Nach Stellingen?“, fragt ein Mensch, der ein Bier durch die kalte Nacht trägt. Die Stimme aus den Lautsprechern sagt: „Die Anzeigetafeln sind defekt. Bitte beachten Sie, was auf den einfahrenden Zügen steht.“ – „Entschuldigung, wissen Sie, wohin der Zug fährt, der hier kommt?“, fragt eine Dame mit grauen Haaren und Lodenmantel. Ich weiß es nicht.
Ich fixiere die Anzeigentafel, die sich alle paar Sekunden ändert. In meinem Augenwinkel sehe ich den großen Bildschirm an der Bahnsteig-Wand, auf dem sich Comic-Figuren tummeln. Die Anzeigentafel verschwimmt vor meinen Augen, dann lese ich: „S 63. Shanghai Millenium Station. Sofort“, es erhebt sich ein Grollen, das schnell lauter wird. Dann zuckt dunkle Materie an uns vorbei, blitzartig. Was vorne draufsteht, kann ich nicht erkennen. Die Dame mit dem Lodenmantel wird vom Luftzug erfasst und dreht sich um sich selbst wie ein Kreisel. Dem Menschen mit dem Bier fällt die Flasche aus der Hand und zerbirst krachend an einer Säule. Als die Materie verschwunden ist, senkt sich Sternenstaub auf die Gleise.
„Meinst Du, die S-Bahn kommt noch?“, fragt meine Begleitung und zupft mich am Arm. „Betriebsende“ steht auf der Anzeigentafel. „Komm“, sage ich. „Wir nehmen den Bus.“
KLAUS IRLER
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