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Archiv-Artikel

„Keine Wiederholungsgefahr“

In den Niederlanden wird der letztlich geständige Mörder des Rechtspopulisten Pim Fortuyn zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren verurteilt, die er nur zu zwei Dritteln absitzen muss. Für die meisten Anhänger Fortuyns ist das Urteil „ein Skandal“

von HENK RAIJER

Der Richterspruch von Amsterdam hat den Anhängern Pim Fortuyns gestern die Zornesröte ins Gesicht getrieben. „18 Jahre, die nach 12 Jahren verbüßt sein werden – das ist doch zum Verrücktwerden“, sagte vor dem Gerichtsgebäude ein zur Urteilsverkündung angereister Anhänger des Politikers, der am 6. Mai letzten Jahres ermordet worden war. Der Mann sagte über den Verurteilten: „Man sollte ihn aufhängen.“ Ein anderer tönte: „Der bekommt schon noch seine gerechte Strafe.“

Volkert van der Graaf aus Harderwijk wurde gestern wegen der Ermordung des Rechtspopulisten Fortuyn zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Damit dürfte der 33-Jährige spätestens 2014 frei sein, da nach niederländischem Recht ein Gefangener nur zwei Drittel seiner Strafe absitzen muss. Für die meisten Anhänger des „Messias von Rotterdam“, welcher der von ihm gegründeten „Liste Pim Fortuyn“ (LPF) kurz nach seiner Ermordung auf Anhieb zum sensationellen Wahlerfolg verholfen hatte, ist das Strafmaß „ein Skandal“.

Die Staatsanwaltschaft hatte „lebenslänglich“ gefordert, weil van der Graaf die Tat vorsätzlich und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verübt habe. Vor allem aber, so die Anklage, sei der Mord ein Anschlag auf die Demokratie gewesen, der Täter habe bis zuletzt keine Reue gezeigt. Es müsse damit gerechnet werden, dass er zu einer Wiederholung der Tat fähig sei.

Das sah der Vorsitzende Richter, Frans Bauduin, anders. Zwar habe das kaltblütige Vorgehen van der Graafs die Festlegung des Strafmaßes bestimmt. Eine Wiederholungsgefahr indes sah das Gericht auf Grund der vorgelegten Gutachten als nicht gegeben an. Auch das Argument, die Höchststrafe könne eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Nachahmer haben, mochte Bauduin nicht gelten lassen. 18 Jahre seien angemessen, auch wenn das Strafmaß Angehörigen und Anhängern Fortuyns als zu milde erschiene. Lebenslängliche Haftstrafen sind in den Niederlanden nach 1945 überhaupt erst 21-mal verhängt worden.

Van der Graaf, der die gestrigen Urteilsverkündung scheinbar emotionslos verfolgte, hatte sich lange geweigert, zum Attentat auszusagen. Erst im November legte er ein Geständnis ab, obwohl er nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt mit der Waffe in der Hand überwältigt worden war. Aus den zähen Ermittlungen ging hervor, dass van der Graaf in dem bewusst polarisierenden Fortuyn eine wachsende Gefahr für Sozialhilfeempfänger und Ausländer im Allgemeinen, Asylbewerber und Muslime im Besonderen sah. Darin erkannte das Gericht denn auch das Tatmotiv.

Die brutale Art und Weise sowie die Präzision, mit der van der Graaf den in Holland kurze Zeit von vielen gefeierten Fortuyn erschoss, machten mildernde Umstände unmöglich. Schon mit Rücksicht auf die Gefühle, die das erste politische Attentat im neuzeitlichen Holland bei der Bevölkerung hervorrief, war ein anderes Urteil nicht zu erwarten. Bis Redaktionsschluss war nicht klar, ob die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen wird.