: Flachse mit Sessioncharakter
Musik so frei und spontan machen, wie die Kinder von damals und heute ihre Sandburgen bauen: „International Pony“, Hamburgs Trio Infernale, reiten schwungvoll ins Schauspielhaus
von JULIAN WEBER
Sind Ponys hysterisch? Und was an ihnen, bitteschön, ist international? Nur so Gedanken, die einem durch den Kopf geistern, wenn man sich nach dirty old St. Georg aufmacht, um Hamburgs definitivem Trio Infernale International Pony auf den Zahn zu fühlen. Und zugegebenermaßen auch ein bisserl Bammel davor hat, in einen dieser unkontrollierten Flachse der drei derbsten Heißblüter im Stall des hanseatischen Bigbeat-Entertainments hineinzugeraten.
Ist aber unbegründet, die Sorge, denn DJ Koze, Erobique und Cosmic DJ sind – jeder für sich genommen schon – mit den Unebenheiten der weiten Welt auf Du und Du; Respekt ist hier nicht nur Zauberwort. Ihr gemeinsames Debütalbum We love Music vom letzten Sommer schlägt den ganzen House-, R&B- und irgendwie Clubmusik-Styles made in Hamburg den Boden aus. Weil es nämlich genau nicht funktional und streng formal in eine Richtung schaut, sondern an allen Ecken und Enden überbordet und sich dabei ständig selbst auf die Schippe nimmt.
Gerade deshalb ist We love Music zu einem unersetzlichen Begleiter spätabendlich-intimer Launen geworden. Und genießt zu Recht Dauereinsatz auf internationalen Playlists. Zuletzt in England, wo International Pony unter den Fittichen von Fatboy Slim‘s Skint Records in das Genre „Harold-Faltermeyer-Pogo-House“ eingeordnet werden. For real.
„Wir sind das auch, die man auf der Platte hört“, erklärt Cosmic DJ, „es ist einfach eine Mischung aus unseren Ansprüchen und Feinstofflichkeiten. Mit 18 war ich Musiknazi“, erzählt Erobique. „Ich wollte nur noch bestimmte Sachen gut finden. Das hat lange gedauert, wieder da hinzukommen, so frei wie als Kind Musik aufnehmen zu können. Wir versuchen Musik zu machen, wie sie Kinder auf dem Spielplatz machen würden. Die schönsten Sandburgen bewahren wir uns auf.“
Die Musik von International Pony hat immer Sessioncharakter, ähnlich dem Freigeist, der schon die alten Funkadelic Parliament-Platten durchzogen hat. Aber die Ponys haben auch die Gabe für simple, wie aus dem Secondhand-Hemdsärmel geschüttelte Hooklines. Ihr Sound wird angeschoben von sparsamen Beats und kernigen Gesangsharmonien, mal von Gästen wie dem Liverpooler Soulster Austin Cole, mal von den Ponys selbst, die inzwischen gelernt haben, begnadet melodisch zu singen.
Über all dem liegt ein schon phantastisch zu nennender Humorschleier. Eine Art Sicherheitsnetz. „In erster Linie sind wir Musiker“, sagt Erobique, „Gags machen wir für uns selbst, damit wir gute Laune bekommen.“ Müßig zu sagen, dass der Spaß auf der Bühne in sexy Raserei umschlagen kann. Die Ponys bringen noch jeden Kaffeeverkäufer zum Schmunzeln, weil sie niemanden mit ihrem Spaß verletzen, erzählt der Tourbegleiter, glücklich und groggy. Zu den Konzerten reist man üblicherweise in der Eisenbahn. Erster Klasse, versteht sich.
Erstklassig auch der neueste Pony-Geniestreich, eine Split-Maxisingle mit dem Frankfurter LoSoul auf dem Label Playhouse. Deephouse in der Ich-Form, der Vokoder macht sich selbstständig und grient wie ein Monster aus einem sperrigen Zukunftsfilm der Fünzigerjahre: „I am the track of the night.“
mit DJ Tobias Thomas: Donnerstag, 21 Uhr, Schauspielhaus, Restkarten an der Abendkasse