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Archiv-Artikel

Schöner reisen mit Hochtief

Im Kölner Müllprozess schweigt sich ein Ex-Hochtief-Manager darüber aus, wer in Politik und Verwaltung von den „nützlichen Aufwendungen“ des Baukonzerns profitiert hat

KÖLN taz ■ Auch im Alter bleibt Manfred Hermann Erich Karlé ein diskreter Mann. Davon konnten sich Gericht und Staatsanwaltschaft beim gestrigen Verhandlungstag im Kölner Müllskandalprozess überzeugen. Wie sie auch fragten, wie sie auch bohrten: der 66-jährige Ex-Hochtief-Manager wollte partout nicht verraten, wer denn nun auf Kosten des Essener Baukonzerns einen Segeltörn in der Karibik, die Fußballweltmeisterschaft in den USA oder die Salzburger Festspiele genießen durfte.

Die netten Trips waren drei der lukrativen Landschaftspflegebeiträge, die Karlé in seiner Zeit als Hochtief-Generalbevollmächtigter im Rheinland aus der „vertraulichen Kasse“ des Unternehmens finanzierte. Die Kasse war gut gefüllt: Alleine 1994, so verriet Karlé, gab er rund 474.000 Mark für „nützliche Aufwendungen“ aus. „Wir waren damals ein bisschen großzügig“, gab Karlé zu Protokoll.

Wer allerdings genau davon profitierte, dazu verweigerte er auf Anraten seines Anwalts die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten. Nur soviel verriet er: Bei den schönen Reisen waren „Bauherrn aus der Privatwirtschaft“, aber auch „Mitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst“ dabei gewesen. Zum Beispiel ein Baudezernent. „Aber nicht aus Köln“, wie Karlé betonte. Schließlich habe sich sein Tätigkeitsbereich über das ganze Rheinland „im weitesten Sinne“ erstreckt...

Einen Namen jedoch musste der Hochtief-Mann nennen: den von Kölns Ex-SPD-Ratsfraktionschef Norbert Rüther. Denn Rüther hatte selbst bereits im März 2002 Karlé als Überbringer zweier Spenden in den Jahren 1994 und 1997 in Höhe von jeweils 50.000 Mark genannt. Hatte damals Karlé noch behauptet, er habe „keine Erinnerung mehr daran“, räumte er nun seine Spendierfreude ein. „Es ist nicht falsch in der politischen Landschaft gut angesehen zu sein“, gab er als Begründung an.

Das Angebot Rüthers, für den großzügigen Obolus eine Spendenquittung ausgestellt zu bekommen, habe er indes bei der ersten Spende abgelehnt, weil Hochtief nicht in der Öffentlichkeit mit einer Partei in Verbindung gebracht werden wollte. 1997 habe er dann den Betrag so gestückelt, dass seine Einzelteile nicht mehr unter die vom Parteiengesetz vorgeschriebene Veröffentlichungspflicht fielen. 19.500 Mark gingen an den SPD-Unterbezirk, 10.000 Mark an Ortsvereine und das in Rüthers damaligem Wahlkreis gelegene Bürgerhaus Bocklemünd bekam 20.000 Mark.

Vor Karlé hatten noch vier ehemalige Kölner SPD-Politiker ausgesagt, deren Bruder, Ehefrau oder sie selbst Jobs bei der AVG erhalten hatten. Ihre Aussagen zeichneten jedoch eher ein erschreckendes Psychogram der Kölner Sozialdemokraten in den 90er Jahren, als dass sie zur Wahrheitsfindung substanziell hätten beitragen können.

Unterdessen hat die Kölner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen den Frechener Landtagsabgeordneten Hardy Fuß ausgeweitet. Gegen den Sozialdemokraten wird nun auch wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt. Am Montag hatte ein Ex-Mitarbeiter der Schweizer Briefkastenfirma Stenna Fuß schwer belastet. Das Zwei-Personen-Unternehmen diente laut Anklage als „Waschanlage“ nicht nur für das Schmiergeld, das bei Planung und Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) geflossen ist.

Der Zeuge, der von 1997 bis 2002 technischer Leiter bei Stenna war, berichtete von Gefälligkeitsgutachten, Scheingeschäften und falschen Rechnungen. So habe die Trienekens-Tochter Isis, dessen Geschäftsführer Fuß bis zur Übernahme durch RWE-Umwelt war, an Stenna fünf Millionen Mark für den Entwurf des Wartungsvertrags für die Kölner MVA gezahlt. Die Leistung der Schweizer Firma habe jedoch lediglich darin bestanden, den Text eines anderen Unternehmens „schlampig“ aufs eigene Papier zu kopieren. Auch berichtete er von einem Gutachten über die Abrechnung eines Trienekens-Bauprojekts, in dem von ihm festgestellte Unregelmäßigkeiten auf Wunsch von Fuß aus seinem Bericht gestrichen worden seien. In einem anderen Fall soll Fuß veranlasst haben, Rechnungen zurück zu datieren, um sie „plausibler“ zu machen. Generell sei der SPD-Politiker sein „Hauptansprechpartner“ für die Geschäfte mit Trienekens gewesen. Pascal Beucker