: berliner szenen Standvermögen stützen
Ein Café nach Wunsch
Es ist ein gutes Gefühl, zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen. Ich für meinen Teil sichere die Jobs von Tobi und Isa. Die beiden haben im November vergangenen Jahres Licht ins gastronomische Dunkel der Boxhagener Straße in Friedrichshain gebracht und ein Café eröffnet. Direkt neben dem Haus, in dem ich wohne.
Ich muss nur die Haustür hinter mir zuschlagen, drei Schritte nach rechts gehen, eine Stufe hochsteigen und schon stehe ich im „wahrhaft nahrhaft“, diesem hübschen kleinen Laden. Es gibt leckere Toasts, Bagels, Obstsalate, Brownies, Fruchtsäfte und guten Kaffee, mit und ohne Milchschaum, und für den, der will, auch mit Sirup. Vieles bekommt man schon für zwei Euro. Den Espresso derzeit für 77 Cent und Jonny Cash dazu umsonst.
Ratzfatz wurde ich Stammkunde. Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht reingehe. Wenn ich Zeit habe, bleibe ich eine halbe Stunde oder länger. Zumal Tobi und Isa, er aus Niedersachsen und sie aus Frankfurt am Main, die ausgelegten Zeitungen mittlerweile meinen Lesegewohnheiten angepasst haben. Mopo und B.Z. flogen raus, dafür kamen Berliner Zeitung, Tagesspiegel und Bild rein.
Ich möchte nicht wissen, wie viel Geld ich schon im „wahrhaft nahrhaft“ gelassen hab. Egal. Jeden Schluck und jeden Bissen nehme ich in dem Bewusstsein zu mir, dass mein Konsum zwei Menschen vor der Arbeitslosigkeit bewahrt. Die orthopädischen Einlegesohlen und Stützstrümpfe, die sich Tobi und Isa neulich zugelegt haben, habe eigentlich ich bezahlt. Aber das habe ich gern gemacht. Schließlich will ich ihr Standvermögen unterstützen. Denn nur so kann ich weiterhin den Tag wahrhaft nahrhaft beginnen.
BARBARA BOLLWAHN