: Spannungen versus Pragmatismus
Israels Außenminister spricht Europa eine Schlüsselrolle im Nahost- Friedensprozess zu. Nähert sich Israel der EU an?
Bundesaußenminister Joschka Fischer spitzte die Ohren, als sein israelischer Amtskollege Silvan Schalom vom Frieden zwischen Israel und der arabischen Welt sprach, einem Prozess, bei dem „Europa eine zentrale Rolle spielen sollte“, ja bei dem die EU gar eine „Schlüsselposition“ einnehme. Die beiden Politiker begegneten sich am Montag bei einer Konferenz in Herzlija, zu der Fischer angereist war.
Noch bei seinem nur knapp zwei Monate zurückliegenden Besuch in der Region schien Fischer an dem Vermittler USA nicht zu rütteln. Doch in acht Wochen kann viel passieren. Da gab es den Gefangenenaustausch, die europäische Absage an die Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof und eine neue Nahostvision des bundesdeutschen Außenministers.
Nachdem die USA mit dem Boykott Jassir Arafats und letztendlich auch der Irak-Offensive deutlich an Vertrauen auf palästinensischer Seite einbüßen mussten, hofft Silvan Schalom nun, dass die guten Verbindungen, die „Europa zu den Arabern unterhält“, entscheidend dafür werden, „die Kluft zwischen uns und den Arabern zu verringern“. Einen ersten konkreten Beweis dafür, dass die deutschen Kontakte hilfreich sind, gab es Ende Januar, als der Geiselaustausch zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah infolge deutscher Vermittlung erfolgreich abgeschlossen wurde.
„Europa ist für Israel der natürliche Partner“, so Schalom, auch im Friedensprozess „mit den Palästinensern“. Befriedigt zeigte er sich angesichts der europäischen Absage an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, wo in der kommenden Woche die von Israel errichteten Trennanlagen zur Anhörung kommen sollen.
Fischer griff das Beispiel auf: „Europa war sich einig, die Sache politisch zu behandeln.“ Trotz aller Unterschiede in der EU „sind wir bereit, einen Kompromiss zu suchen“. Dass das in einer so schwierigen Frage gelungen sei, zeige, dass es möglich sei.
Fischer erinnerte daran, dass die Reformen innerhalb der palästinensischen Führung und schon die Wahl eines Premierministers „in Europa erfunden wurden“, so auch die „Roadmap“ selbst. Bei dem Prozess sollte deshalb das Quartett, bestehend aus den USA, der EU, der UN und Russland, „unbedingt dabeibleiben“. Mit seiner vor einer Woche in München veröffentlichten Vision einer „freien Handelszone bis 2010 für den gesamten Mittelmeerraum“ verteilte er an die israelischen Zuhörer ein letztes Zuckerstück. (Die neue und engere Partnerschaft solle „Sicherheit, Politik, Wirtschaft, Recht und Kultur umfassen“.)
Letztlich ist die Frage, was in Israel schwerer wiegt – der zunehmende Antisemitismus und Ausstellungen des in Blut badenden „Schneewittchens“, dargestellt von einer palästinensischen Selbstmordattentäterin, oder der pragmatische Gedanke an den Nutzen der Kooperation. Fest steht, dass sich die EU am 1. Mai Israel annähert. 30 Minuten dauert der Flug von Limassol nach Tel Aviv. SUSANNE KNAUL