h.g. hollein: Aufgeräumt
Die Frau, mit der ich lebe, geht bisweilen in sich. Angesichts des verheerenden Orientierungsvermögens der Gefährtin gilt es dann aufzupassen, dass sie auch wieder rausfindet. Respektive zu verhindern, dass sie auf diesen introspektiven Alleinwanderungen den Einflüsterungen irgendwelcher Wegelagerer erliegt, die ihr solch pietistische Prinzipien andienen wie „Putz jeden Tag Staub“, „Lass abends deine Socken nicht mehr rumliegen“ oder „Nimm nur einen Teelöffel Öl zum Braten“. An all diesen Dingen mag ja etwas Gutes sein, allein, ich finde, die ihnen inhärente Freudlosigkeit mindert den Genussquotienten – vulgo die Behaglichkeit – unseres Nestchens doch erheblich. Schließlich sind wir meines Wissens nicht angetreten, den ersten Preis bei „Unser Heim soll schöner werden“ zu gewinnen. Aber es hilft nichts. Wenn die moralisch runderneuerte Gefährtin mit blitzenden Augen um sich blickt und befindet, „Hier muss jetzt mal Grund reingebracht werden!“, bleibt nur, sich willfährig wegzuducken und das emsige Eichkatz zu geben. Und zwar je emsiger desto besser. Angesichts des kombinierten Stauvolumens unserer Schränke, Kommoden und Bettkästen höre ich die Gefährtin den auch alsbald immer häufiger Satzfetzen murmeln wie „Ich hatte meinen Pullover doch gestern...“, „Hier irgendwo muss doch...“ oder „Hast du nicht...?“ Ich habe in der Tat. Trotzdem beteilige ich mich getreulich an der Suche. In einem aufgeräumten Haushalt kommt eben nichts weg. In einem unaufgeräumten sieht man es allerdings sofort. Was auch der Gefährtin nach ein paar Tagen klösterlich strenger Ordnung bisher noch jedesmal wieder eingeleuchtet hat.
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