: Angst essen Studenten auf
Horrortripp Prüfung: Die Stimme versagt, das Herz rast, die Hände zittern. Viele leiden unter der Furcht, sich beweisen zu müssen – es gibt Strategien, dagegen anzugehen
taz ■ Wenn für Studenten das Semester zu Ende geht, ist vorher meist jede Menge Stress angesagt. Nur wer unzählige Tests, Klausuren oder die ganz große Schreckensvariante mündliche Prüfung hinter sich gebracht hat, kommt weiter.
Leider führt eine gute Vorbereitung nicht immer zum Erfolg. Für viele wird die Prüfungssituation zum Horrortrip: Die Stimme versagt, das Herz rast, die Hände zittern. Die Konzentration geht gegen null und das Gelernte ist futsch. Besonders heikel ist es, wenn die KandidatInnen zum Abschluss ihrer Ausbildung in nur wenigen Minuten zeigen müssen, was sie in den vielen Jahren zuvor gelernt haben.
Diplom-Pädagogin Daniela von Appen bietet über die Handelskrankenkasse (hkk) Seminare zum Thema „Prüfungsangst verstehen und beeinflussen“ an. Nach ihren Erfahrungen können die Symptome sogar noch weit über die bekannten Stressreaktionen hinausgehen.
Angefangen mit „Hautrötung, Verdauungsstörungen und Gedächtnisverlust, kann eine extreme Form über die Depression sogar bis zum Suizid führen“, berichtet von Appen, die auch ein halbes Psychologiestudium aufweisen kann. Das Wichtigste sei, dass der Prüfungsängstliche versuche, die psychologischen und physiologischen Zusammenhänge zu verstehen. Hinter der Angst, schlecht bewertet zu werden, stehe fast immer eine generelle Angst vor Ablehnung der eigenen Person.
Tatsächlich handele es sich bei den genannten Stressfaktoren um die körperliche Bereitschaft zur Flucht. „Fight and flight“ heißt die körperliche Reaktion, die den Menschen in grauer Vorzeit in die Lage versetzte, letzte Energiereserven zu mobilisieren, um vor den wilden Tieren zu flüchten.
Ums nackte Überleben geht es in Prüfungen natürlich nicht, aber viele machen sich durch den Notendruck verrückt. Weglaufen kann man natürlich auch nicht. In den schillernsten Farben malen sich viele die fatale Situation nach einer misslungenen Klausur aus. Da essen Angst Seele und Studi auf – dabei gibt es fast immer die Möglichkeit, eine Prüfung zu wiederholen.
Eine gewisse Grundspannung vor und während einer Prüfungssituation sei als Antrieb förderlich, erklärt von Appen: „Sie verbessert die Aufnahmefähigkeit und macht es möglich, dass man mit weniger Schlaf eine enorm große Menge an Lernstoff aufnehmen kann“.
Um gegen die Angst anzugehen, hat sie einen ganzen Katalog mit Strategien zusammengestellt: An erster Stelle steht eine genaue Zeitplanung. Angenommen, die Prüfung findet in drei Monaten statt, sind alle Themen, die gelernt werden müssen, zusammenzustellen – inklusive Sprechstunden und Recherche. Dazu gehören aber auch Urlaubs- und Arbeitstage. Nur so könne man die eigene Kapazität richtig einschätzen, erklärt die Pädagogin.
Vor dem eigentlichen Lernen sei es wichig, den Körper zu entspannen. Dabei denkt sie an autogenes Training, Yoga, aber auch an „normale“ sportliche Betätigung. Spezielle Entspannungsseminare bietet Daniela von Appen ebenfalls über die Handelskrankenkasse an.
Ein Teil ihrer Angstbewältigungsstrategien stammt aus dem Bereich der Verhaltenstherapie. Hierbei stellt sich der Prüfling neun Situationen mit zunehmendem Angstfaktor vor. Verkürzt hieße das etwa: der Zeitpunkt drei Monate vor der Prüfung, die Anmeldung und schließlich die Prüfung selbst. Daraufhin gilt es, jede dieser Vorstellungen mit positiven Gedanken zu verknüpfen. Das Horrorszenario muss dann etwa dem Badeurlaub auf Hawai oder der Examensparty Platz machen.
Auf diese Weise soll sich allmählich die Schreckensvorstellung verflüchtigen. Von Appen: „Viele müssen sich erst einmal über ihre Motivation klar werden, Ausbildung oder Studium abschließen zu wollen“. Wer damit nur dem Berufswunsch der Eltern, nicht aber dem eigenen nachkäme, für den könne die Prüfung zur Zitterpartie werden. Für wen klar sei, wo die eigenen Stärken liegen, oder wer aus eigenem Interesse handele, der könne sich meist auch besser verkaufen. Die beste Einstellung für ein ausgewogenes Maß an Anspannung sei jedoch eins. Von Appen: „Ich habe gelernt, den Rest lasse ich auf mich zukommen“. Jörg Fischer