: Mit Köpfchen: Frauen im Männerbund Karneval
Seit dem frühen 19. Jahrhundert definierte sich in Köln das Festordnende Komitee als beinharter Männerverein. Frauen waren im Karneval Dekoration, ihre Mitwirkung beschränkte sich auf Damensitzungen und Maskenbälle. Allerdings ließen sie sich nicht ohne Protest vom Festgeschehen ausschließen
VON Gisela Völger
Bereits beim ersten Rosenmontagszug 1823 waren die Weichen gestellt: Nicht eine Frau war dabei. Das Festordnende Komitee, das im Verbund mit den ordnungsliebenden Preußen in der nachnapoleonischen Zeit Kölns chaotischen Volkskarneval neu organisierte, definierte sich als beinharter Männerbund.
Die Einigkeit in Bezug auf den Ausschluss der Frauen ging so weit, dass Männer sogar die Marketenderinnen der Korps-Gesellschaften und die Jungfrau des Dreigestirns spielten. In jenen frühen Zeiten des Gesellschaftskarnevals gehörten die Mitglieder dieser Solidargemeinschaft aus Männern zur gebildeten, wohlhabenden Kölner Oberschicht, in der man wusste, dass auch bei Shakespeare die Frauenrollen von Männern dargestellt wurden. Erst in der NS-Zeit wurde damit aufgeräumt. Aus den Marketenderinnen waren inzwischen die Funkenmariechen geworden, die ebenso wie die Jungfrau auf Geheiß der Nationalsozialisten ab 1938 echte Frauen zu sein hatten. Bei den Funkenmariechen ist es dabei geblieben, aber die Jungfrau wurde 1949 wieder ein Mann. Männerbündisch konsequent wurde 1988 der Vorschlag des amtierenden Dreigestirns abgelehnt, die beiden Jungfrauen der NS-Zeit, Paula Zapf und Else Horion, in die Traditionsgesellschaft ehemaliger Prinzen, Bauern und Jungfrauen aufzunehmen.
Männlicher Albtraum
Selbstverständlich ließen sich die Kölner Frauen nicht ohne Protest vom Karnevalsgeschehen ausschließen. Sie wehrten sich dagegen, dass sich ihre Mitwirkung auf die Teilnahme an Damensitzungen und Maskenbällen beschränkte. Immer wieder, aber folgenlos, war der Frauenausschluss in den ersten Jahrzehnten des Gesellschaftskarnevals Thema in den Karnevalszeitungen. So wurde der Karneval schließlich zur großen Bühne des Geschlechterkampfs. Im Rosenmontagszug von 1901, als die Forderungen der Frauenrechtlerinnen Köln erreichten, widmeten sich gleich zwei Wagen frauenfeindlichen Themen. Sie schilderten den männlichen Albtraum, unterm Pantoffel gebeugte Männer und emanzipierte Frauen als Advokatinnen und Ärztinnen, während eingeschüchterte Männer Kinderwagen schoben.
Auch als Frauen 1908 die Mitgliedschaft in Vereinen erlaubt wurde und sie de facto Mitglieder in Karnevalsgesellschaften hätten werden können, hielten die Männer daran fest, bei ihren Sitzungen und Rosenmontagszügen unter sich zu bleiben. Sie bauten ihre Position sogar noch aus und brachten selbst die Weiberfastnacht unter ihre Fuchtel. Seit den 50er Jahren eröffnet das Dreigestirn auf dem Altermarkt dieses ureigenste Fest der Frauen. Aber diese eroberten sich den Karneval auf andere Weise: mit Köpfchen. Die schlausten, gründlichsten und witzigsten Bücher über den Karneval stammen aus weiblicher Feder.
Dennoch: In den über hundert Karnevalsvereinen – nebenbei auch Karriereschmiede und Mistbeet für den Klüngel – sind Frauen bis heute eine Seltenheit. Als Dekor wie die Tanzmariechen werden Frauen zwar gebraucht, aber nicht integriert. Auch als Büttenrednerinnen haben sie wenig Chancen, seit Trude Herr nach anfänglichen Erfolgen 1958 als zu sozialkritisch der Bütt verwiesen wurde.
Was aus der 1999 gegründeten, ersten weiblichen Karnevalsgesellschaft Colombina Colonia werden wird, bleibt abzuwarten. Immerhin wurde sie auf Anhieb in den Bund des Deutschen Karnevals und ins Festkomitee aufgenommen. Bisher durften die Columbinen allerdings nur einmal im Rosenmontagszug mitgehen, und zwar zu Fuß vor der Müllabfuhr, aber immerhin gleich hinter dem Prinzenwagen. Trotz oder wegen ihres Erfolges gab es keine Wiederholung. Sie wurden in die Schull- und Veedelszöch verbannt. Nun haben sie sich einen prachtvollen Rosenmontagswagen zugelegt, falls die Herren Festordner ihnen noch einmal gestatten, mit von der Partie zu sein.
Die Autorin ist Ethnologin. Sie leitete bis zum Jahr 2000 das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln.