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Archiv-Artikel

Schützen verweigern Schützenhilfe

Ein Anekdötchen aus dem Bremerhavener Vereinsleben wirft ein feines Rücklicht auf die Affäre um Rechnungsprüfungsamtsleiter Mattern: Schützenbruder Artur Beneken wollte Schützenbruder Mattern offenbar ausspionieren

Schröder verabschiedet sich sogar artig mit dem „Schützengruß“Was bleibt,ist diehehre Utopie der Schützen

taz ■ Der Vorsitzende des „Wulsdorfer Schützenvereins von 1861“ ruft einen Schützenbruder an und erkundigt sich nach dem Pistolenreferenten. Normalerweise riecht so was nicht gleich nach Ausspionieren, gar nach Intrige und politischem Sumpf.

In Bremerhaven schon: Denn der anrufende Vereinsvorsitzende heißt Artur Beneken und ist Bremerhavener Stadtverordnetenvorsteher und SPD-Mann. Der Pistolenreferent arbeitet hauptberuflich als Leiter des Rechnungsprüfungsamtes in der Seestadt. Sein Name: Rainer Mattern. Mit seiner investigativen Recherche hätte Beneken im vergangenen September beinahe die Szene der Waffenbrüder im grünen Wams in die Abgründe des schmutzigen Politik-Geschäfts mit hinabgezogen.

Diese Abgründe hießen im September 2002 „Untersuchungsausschuss Rechnungsprüfungsamt Bremerhaven“ – die Hauptkontrahenten: Artur Beneken und Rainer Mattern. Der Untersuchungsausschuss sollte aufklären, wer der Verfasser eines als „sittenwidrig“ eingestuften Vertrags war, den der Stadtverordnetenvorsteher Beneken dem Rechnungsprüfungsamtsleiter Mattern zur Unterschrift vorgelegt hatte. Mattern sollte einer deutlichen Beschneidung seiner Prüfkompetenzen zustimmen sowie sich auf andere Stellen wegbewerben.

Zur „Belohnung“ wäre ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingestellt und er wäre befördert worden. Artur Beneken galt als ein möglicher Verfasser dieses Schriftstücks, was ihm der Ausschuss aber nie nachweisen konnte.

Bekannt wurde der frühmorgendliche Erkundungsanruf des Schützenbruders Beneken jetzt durch das Auftauchen eines Briefwechsels zwischen Beneken und dem Präsidenten des Schützenkreises, Rolf Schröder. Der hatte die beruflichen Auseinandersetzungen zwischen Beneken und Mattern in der Tagespresse verfolgt, ihm schwante großes Übel, zumal der Zeitpunkt der Anfrage von Schützenbruder Beneken über Pistolenreferent Mattern in den ersten Tagen der Zeugenvernehmung lag. In einem Brief an den „lieben Schützenbruder Beneken“ formuliert Schröder daher seine böse Ahnung, „dass du versucht hast, über unseren Pistolenreferenten Informationen privater Natur zu sammeln, die du gegen ihn verwenden wolltest.“ Der in Bedrängnis geratene Stadtverordnetenvorsteher wollte sich offenbar mit Munition ausstatten, um Mattern vor dem Ausschuss zu demontieren – und scheint dabei auch nicht vor dem Missbrauch der Schützenbrüderschaft Halt gemacht zu haben.

Das war der Schützenkreis nicht zu dulden gewillt. Man sehe in dem „offensichtlichen Ausspionieren des Privatlebens“ von Rainer Mattern ein „unsportliches Verhalten“, schreibt Schütze Schröder an Schütze Beneken. Konsequenzen gegen Schützenbruder B. erfolgten jedoch nicht, Schröder verabschiedet sich sogar artig mit dem „Schützengruß“. Heute betont er, dass „die Angelegenheit für mich abgeschlossen ist“. Ist ja auch noch mal gut gegangen, also Schwamm drüber.

Was bleibt, ist die hehre Utopie der Schützen: „Wir stellen ausdrücklich fest, dass es auch in Bremerhaven möglich sein muss, private und berufliche Angelegenheiten getrennt zu halten.“

Ulrike Bendrat