: Mit Kamelkäse gegen den Sahara-Stress
Das Verschwinden von 31 europäischen Touristen in Algerien wirkt sich auch auf den Niger aus, das südliche Nachbarland und Etappenziel vieler Sahara-Touristen. Dort glauben einige an eine islamistische Fährte
NIAMEY taz ■ Nick sitzt am Frühstückstisch der Katholischen Mission in Niamey und trinkt Kaffee. Der Österreicher gehört zu den wenigen Sahara-Touristen, die in letzter Zeit aus Algerien in den südlichen Nachbarstaat Niger gekommen sind, dem einst traditionellen Reiseland des Sahara-Tourismus. „Die Stimmung in der Wüste war schon merkwürdig“, erinnert er sich. Als die deutschen Touristen auf dem Campingplatz in Djanet die örtliche Gendarmerie um Militärbegleitung baten, habe dies bei den Gendarmen Heiterkeit ausgelöst, obwohl 31 Touristen – zum Teil aus Deutschland – seit Februar in dieser Ecke der Sahara verschwunden sind.
Die Gendarmen, sagt Nick, glaubten nach wie vor, das Verschwinden der Touristen beruhe auf deren Unfähigkeit, sich in der Wüste zu orientieren. Also seien die Deutschen empört umgekehrt und nach Norden zurückgefahren. Nick und ein anderer Österreicher setzten hingegen ihre Reise fort. „Nachts haben wir immer am Polizeikontrollpunkt gecampt. Die Polizisten waren sehr nett und wirklich besorgt. Sie haben uns Fladenbrot und Kamelkäse gegeben.“
Besorgt war auch Algaher, der einheimische Führer einer anderen Touristengruppe. Er hatte sie vor einer Woche durch die südalgerische Sahara geleitet. „Nachts bin ich immer auf die Dünen gestiegen, um mich zu vergewissern, dass da niemand war außer uns“, berichtet er. Die Touristen hätten gelacht und gesagt, er solle keine Angst haben. Aber wenn nachts plötzlich ein Tuareg-Nomade auftauchte und an einem Touristencamp um Wasser bat, war dies für ihn ein alarmierendes Zeichen. „Das waren Spione, da wusste ich, wir waren nicht allein.“ Doch das Auto seiner Gruppe sei alt gewesen und damit uninteressant. Deshalb, glaubt er, wären sie davongekommen.
Schon früher kam es in den Weiten der Sahara in Südalgerien und Nordniger immer wieder zu Überfällen. Meistens waren die Banditen nur auf die Geländewagen scharf, nicht auf die Touristen.
„Eine Reise in die Sahara ist eben nicht ungefährlich, darüber sollte man sich im Klaren sein“, findet Jocelyne, eine Französin, die in Nigers Hauptstadt Niamey lebt. Doch auch sie ist erschrocken über die Systematik, mit der in den letzten Wochen die Touristen verschwanden. Alkassum, ein Tuareg aus Nordniger, sagt: „Ich glaube, das sind Islamisten, Freunde von Bin Laden. Die sind da doch schon seit Jahren in der Gegend.“
Das Verschwinden der Touristen bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den bitterarmen Niger. „Unser Tourismussektor erholt sich gerade erst von den schlechten Zeiten seit der Tuareg-Rebellion“, erklärt Mohammed, Chauffeur bei einer Reiseagentur. „Die Nachrichten aus Algerien schrecken viele Leute ab.“
Der Campingplatz von Niamey ist dieser Tagen ziemlich verwaist. Nur ein blauer Landrover steht im Schatten eines Baumes. Nathalie und Jean-Pierre, zwei französische Touristen, sind damit vor zwei Tagen angekommen. Sie sind über Mauretanien und Mali eingereist. Unverständlich ist ihnen, wie man jetzt noch durch Algerien fahren kann. „Manche Touristen sind so unbedarft“, meint Nathalie. „Sie suchen den Nervenkitzel, das ist für sie das letzte Abenteuer.“
SANDRA VAN EDIG