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Archiv-Artikel

Maut verpatzt, Hans Eichel verarmt

Der Regierung fehlen nach dem Aus für die Lkw-Maut mindestens 6,5 Milliarden Euro bis 2006. Weil sie Straßen und Schienen verspricht, geht an neuen Schulden kein Weg vorbei. Toll Collect baut derweil munter weiter Kontrollbrücken über Autobahnen

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Für Verkehrsminister Manfred Stolpe war die Kündigung des Mautvertrags ein Befreiungsschlag. Für Finanzminister Hans Eichel hingegen wird es jetzt eng. Er muss die Finanzlücke schließen, die der Ausfall der Lkw-Autobahngebühr in den Haushalt reißt. Das Verkehrsministerium kündigte an, es werde gegen das Konsortium Toll Collect Schadenersatzansprüche anmelden, die über den bisher genannten Einnahmeausfällen von 6,5 Milliarden Euro bis 2006 liegen.

Kaum ein Bundesland, das nach dem Aus für Toll Collect nicht umgehend warnte, diese oder jene Autobahn und Schienenverbindung dürfe nun aber nicht gestoppt werden. Die Bauwirtschaft sah gleich 40.000 Arbeitsplätze in Gefahr. So beteuerte Berlin auch gestern, trotz der Einnahmeausfälle die Straßen, Schienen und Kanäle wie geplant bauen und sanieren zu wollen.

Dafür braucht die Regierung aber sofort Geld. Gut 11 Milliarden Euro sind allein in diesem Jahr für Verkehrsinvestitionen vorgesehen, 2,1 Milliarden sollten davon eigentlich aus der Maut kommen. Spätestens bis zur nächsten Haushaltsausschusssitzung am 3. März wollen Verkehrs- und Finanzminister nun gemeinsam einen Plan erarbeiten, hieß es gestern.

Denkbar sind vor allem zwei Optionen. Der Bund könnte Kredite aufnehmen oder Eigentum verkaufen, verlautete aus Koalitionskreisen. Tatsächlich räumte der Bundestag dem Finanzminister mit dem Nachtragshaushalt für 2003 noch ein Polster zur Neuverschuldung von 4,9 Milliarden Euro ein. Gebilligt sind nämlich Kredite in Höhe von 43,5 Milliarden Euro, bisher ausgeschöpft aber nur 38,6 Milliarden.

Stolpes Plan, die bundeseigene Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft möge Kredite aufnehmen, hatte Eichel abgelehnt. Als Alternative schlug Stolpe nun ihre Privatisierung vor. Die Gesellschaft war vom Bund gegründet worden, um die Mauteinnahmen zu verwalten.

Die Süddeutsche Zeitung meldete, die „Bahn soll die Maut-Ausfälle zahlen“, indem sie einen Kredit über mehr als 1 Milliarde aufnimmt. Dies lehnte der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt ab: „Wer soll das zurückzahlen?“ Die Grünen würden nicht zulassen, dass allein die Schiene belastet werde. Dass Mittel gekürzt werden, ist dennoch anzunehmen. Schließlich sollten knapp 800 Millionen Euro aus der Lkw-Maut zur Bahn fließen.

Wie gestern bekannt wurde, baut Toll Collect trotz der Kündigung des Mautvertrags weiter Kontrollbrücken über Autobahnen. Gestern sei „unverständlicherweise“ an zwei solcher Brücken auf der A1 und der A7 gearbeitet worden, bestätigte das schleswig-holsteinische Verkehrsministerium. Datenschützer forderten dagegen den Abbau der bereits fertig gestellten 150 Kontrollbrücken. „Falls in acht Wochen das endgültige Aus kommt, dann muss auch die Erfassungstechnik abgebaut werden“, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Eine andere Nutzung als zur Mauterfassung, etwa zur Verkehrsüberwachung oder für Bewegungsprofile, sei ohne Gesetzesänderungen unzulässig.