Das große Schweigen

Die Kommunikationspolitik der neuen „SZ“-Eigentümer ist mies. Die Frage ist nur: Warum agiert die SWMH so ungelenk? Aus Taktik oder Dämlichkeit?

VON STEFFEN GRIMBERG

Die S-Bahn-Station „Berg am Laim“ ist derzeit eine Großbaustelle. Sie wird saniert. Der Weg führt zwischen Wänden aus Sperrholz hindurch, unter den Schienen, einen düsteren, zuweilen nach Pisse stinkenden Tunnel lang. Das neue Hochhaus der Süddeutschen Zeitung ist der einzige Prachtbau mitten im Industriegebiet in München-Ost.

In der riesigen, imposanten Eingangshalle wäre problemlos Platz für eine Party des gesamten Verlags. Doch in Feierlaune ist beim Süddeutschen Verlag niemand: Sparen, so viel ist klar, soll der ganze Verlag und damit auch die SZ. Sparen müsse man, wegen der Wirtschaftskrise und der Werbeerträge, die wieder einmal wegzubrechen drohen, sagt der neue SZ-Eigentümer, die Stuttgarter Südwestdeutsche Medienholding (SWMH). Ansonsten weiß die Belegschaft – nichts.

Schon vor einer Woche erging sich die Geschäftsführung auf einer Mitarbeiterversammlung in ausweichenden Antworten: Man wolle möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen, hieß es, wolle auf „weichere Maßnahmen“ wie Abfindungen setzen, garantieren könne man aber nichts. Wer, wo, was, wann, wie viel – das sind bis heute große Fragezeichen, und die Stimmung im ohnehin nicht von allen geliebten neuen Quartier wird mit jedem Tag mieser.

Die Gerüchte reichen von 20-prozentiger Kostensenkung über 15 Millionen Euro, die allein bei der SZ gespart werden sollen, bis zu jeder fünften Redakteursstelle, die angeblich gefährdet ist.

Mit dem Umzug sind außerdem die Pförtner zu neuer Macht gelangt. Selbst SZ-Edelfeder Holger Gertz stand in den ersten Tagen da und musste sich erklären. Er hatte seine Magnetkarte vergessen. Und die Pförtner lesen nun mal offensichtlich keine SZ: „Holger wer?“

„Das Misstrauen im Haus ist gewaltig“, sagt der Betriebsrat, und meint damit wieder die Spar-Zahlen, auch wenn keine davon bestätigt ist. Im Gegenteil: Man tappe selbst im Dunkeln, immerhin soll es jetzt „zeitnah“ Gespräche mit der Geschäftsführung geben – „ob wir dann Konkretes erfahren, wird sich rausstellen“, sagt die verunsicherte Betriebsratsvorsitzende Brigitte Deufel.

Die sparsame Kommunikationspolitik passt zur SWMH, dem großen, schweigsamen Riesen im deutschen Zeitungsgeschäft: Gemessen an der Auflage ist nur Springer größer, doch die SWMH, zu der direkt und indirekt auch Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten, Schwarzwälder Bote, Südwest Presse und Rheinpfalz gehören, ist so gut wie unbekannt. Ihre erste Amtshandlung nach der mehrheitlichen Übernahme der SZ diesen Februar war denn auch die Abschaffung der Münchner Verlagspressestelle.

Dass die SWMH-Geschäftsführer Richard Rebmann und Karl Ulrich dem Branchenblatt Medium Magazin ein langes, laues Interview gaben und darin Kündigungen ausschlossen, war dagegen inkonsequent. Dass beide dann, bevor nämliches Interview erschienen war, auf den Münchner Medientagen Ende Oktober das Gegenteil andeuteten – Krise, Sparen, „Polster abschneiden“ (taz vom 1. 11.), war dann nur noch dämlich. Oder am Ende Taktik, wie bei der Berliner Zeitung, wo von oben ja auch die Stimmung gern mies gemacht wird, damit manche ganz von alleine gehen.

Das kann sich in München bislang niemand vorstellen: „Wir wissen nicht, was sie wollen, ob das Taktik ist oder Dämlichkeit“, sagt ein Mitarbeiter. Die Stimmung bei der SZ sei jedenfalls deutlich schlechter, als sie eigentlich sein müsste.

Sogar die neuen Aufzüge sorgen für Unmut. Der Weg nach oben führt über eine Bedientafel. Der Fahrgast tippt sein Stockwerk ein und dann wird ihm ein nonstop dorthin fahrender Lift zugeteilt. Im Inneren: nur der Nothalteknopf. Manche glauben, der Flurfunk solle so unterbunden werden. Das würde zumindest wieder ins SWMH-Kommunikationskonzept passen.