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Archiv-Artikel

unterm strich

Es ist gerade erst zwei Monate her, da feierte Nina Simone ihren 70. Geburtstag, und wir erinnerten in einem großen Artikel an die „Hohepriesterin des Soul“ (taz vom 21. 2). Nun, am Ostermontag, ist sie in ihren Haus in Südfrankreich gestorben. Dorthin hatte sie sich vor etwa zehn Jahren, nach diversen Stationen in Afrika und Europa, zurückgezogen. Sie gehörte zu den großen weiblichen Stimmen des Jazz – ihre „tiefe und rauchige Stimme, ihre kunstvoll eingesetzten Pausen und ihr intensiver Gefühlsausdruck“ werden heute selbst in sonst so spröden Agenturmeldungen erinnert – und sie war gleichzeitig eine Ikone der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Der Rassismus sei ihre prägende Lebenserfahrung gewesen, erklärte sie oft: Er habe dazu geführt, dass ihr eine Laufbahn als klassische Pianistin verwehrt geblieben sei. Dabei hatte Nina Simone, Tochter zweier Methodistenprediger, die mit bürgerlichem Namen Eunice Waymon hieß, bereits mit sechs Jahren Stücke von Bach und Beethoven gespielt. Aus Geldnot verdingte sie sich in den 50er-Jahren in Bars und Nachtclubs ihrer Heimatstadt Atlanta am Klavier, wo ihr Aufstieg als Jazz-Sängerin begann. Gekrönt wurde er durch Auftritte in der Carnegie Hall und beim Newport Jazz Festival in den Sechzigerjahren. Zu Nina Simones bekanntesten Titeln zählten „I put a spell on you“ (so auch der Titel ihrer Autobiografie, die 1991 erschien), die Soulhymne „Why, The King of Love is Dead“, die sie 1968 zur Ermordung von Martin Luther King schrieb, und ihre Version von Jacques Brel Evergreen „Ne me quitte pas“. Den größten Erfolg ihrer Karriere bescherte ihr spät und unverhofft das Modehaus Chanel, welches ihren Song „My Baby Just cares for me“ 1987 in einem Werbespot einsetzte. Er brachte die Sängerin wieder ins Gespräch. Finanziell profitierte sie kaum von ihrem Comeback. Ungünstige Verträge, mit denen sie zu Beginn ihrer Karriere die Rechte an ihren Kompositionen abgetreten hatte, waren der Grund. Solche Erfahrungen hatten Nina Simone schon 1974 verlasst, die USA zu verlassen und C. C. Dennis, der „Liebe ihres Lebens“, nach Liberia zu folgen. Als der Vater eines früheren Premierministers dort 1980 starb, siedelte Nina Simone zunächst in die Schweiz und später nach Frankreich über.