: Der Niedergang des Ehrenamts treibt Preise in die Höhe
Seit 11 Jahren stellt Paul Derichsweiler das Programm für die Pfarrsitzung von Sankt Bruno in Klettenberg zusammen. Wie anderen ehrenamtlichen Karnevalisten in Köln bereiten ihm die steigenden Kosten für die Darbietungen Sorgen. In den Pfarreien Franz Meurers klappt es auch ohne viel Geld
Der Brunosaal im Kölner Stadtteil Klettenberg kocht. 400 Jecke stehen bei der Pfarrsitzung von Sankt Bruno auf den Stühlen. Der Saal gleicht einer finnischen Dampfsauna in Kölnarena-Stimmung mit Wohnzimmeratmosphäre. Präsident Hans-Jürgen Schmitz begrüßt die Honoratioren der Pfarre, Pastor Martin hält eine launige Ansprache an seine Schäfchen. Gleich kommt der nächste Büttenredner, später schmettert ein Musikchor kölsche Potpourris. Vorher schaut noch das Kölner Dreigestirn vorbei.
So ist es seit Jahren. So wird es auch wieder an diesem Karnevalssonntag sein, wenn das Katholische Männerwerk Sankt Bruno seine große Sitzung im Pfarrsaal zelebriert. Und diesmal wird es noch lauter. Die Pfarr-Karnevalisten feiern in diesem Jahr ihr 55-jähriges Jubiläum.
Doch die Sorgenfalten auf der Stirn des Literaten Paul Derichsweiler werden immer tiefer. Er stellt seit 11 Jahren ehrenamtlich das Programm der Karnevalssitzungen zusammen. „Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?“, fragt sich Derichsweiler alle Jahre wieder in Anlehnung an den alten Karnevalsschlager. Die Kostenexplosion des kommerzialisierten kölschen Brauchtums vor der Fastenzeit, vom Festkomitee Kölner Karneval organisiert, hat ihre Auswirkungen auch auf den traditionellen Pfarrkarneval.
Sänger erhöhen die Preise
Viele Redner, Sänger und Bands erhöhen jedes Jahr vor Karneval ihre Preise – wie die Tankstellen vor den Ferien. Große Karnevalsgesellschaften arbeiten heute, so Insider, mit Budgets bis rund 35.000 Euro pro Sitzung. Darin enthalten sind Saalmiete und Kapelle. Rund zwei Drittel dieser Summe sind Künstlerhonorare. Bei Kartenpreisen von etwa 35 Euro müssen die Vereine für die großen Säle über 1.000 Tickets verkaufen, um rote Zahlen zu vermeiden.
Einige Literaten nutzen heute ihre guten Kontakte zu den begehrten Frohsinns-Künstlern, um gutes Geld zu verdienen. Sie nennen sich Programmgestalter und nehmen pro Auftritt ihrer vertraglich gebundenen Künstler bis zu 20 Prozent Provision. Dieser Niedergang des Ehrenamts im Kölner Karneval treibt die Preise zusätzlich weiter nach oben.
Den Preisanstieg spüren auch die Pfarreien, die seit jeher auf professionelle Karnevalskräfte setzen. So verzichtete St. Bruno auf die zweite Sitzung. Sie rechnete sich nicht mehr. „Wir können nur Künstler verpflichten, die uns ermäßigte Pfarrpreise geben“, sagt Literat Derichsweiler. Über 200 Stunden arbeitet er jedes Jahr ehrenamtlich mit seinen Pfarr-Karnevalisten für die Sitzung, die es in dieser familiären, kölschen Art nach Meinung von Experten nur noch in den Kölner Vorortsälen gibt.
„Alles ömmesöns“
Einen anderen Weg schlagen die Pfarreien St. Elisabeth und St. Theodor in den Kölner Arbeitervierteln Höhenberg und Vingst ein. Dort organisiert der Kirchenchor die gemeinsame Sitzung mit selbst gemachtem Programm im Pfarrsaal. Auch hier schaut das Dreigestirn regelmäßig vorbei. In den Pfarreien des Alternativen Kölner Ehrenbürgers, Pfarrer Franz Meurer, lebt der Karneval als wichtiger Teil einer lebendigen Gemeinde.
Die Doppelpfarre kümmert sich besonders um die Kinder der Stadtteile. „Alles ömmesöns“ (Alles umsonst) ist das Motto der Kinder-Karnevalssitzung, die die katholischen und evangelischen Gemeinden mit dem Stadtteil-Jugendmanager und der Karnevalsgesellschaft „Höhenberger Junge“ organisieren. Die Karnevalisten spenden seit sechs Jahren Festzelt und Limonade für die etwa 2.000 Kinder und Begleiter. Alle Karnevalsgruppen treten ohne Honorar auf. Pastoralreferent Peter Otten erläutert den Sinn dieses Konzepts: „Kirche darf niemals Menschen ausschließen. Jeder muss teilnehmen können, auch wenn er kein Geld hat.“ Daher setzen die Pfarreien auf Spenden von Firmen und Mitbürgern, die Verantwortung für die Jugendlichen in den Stadtteilen übernehmen wollen. „Das stiftet Identität in einer modernen Form von Heimat“, so Otten. „Viele haben ihre Verantwortung erkannt.“
Dazu zählen auch die Höhenberger Junge. Der Einsatz für die Kinder in den Stadtteilen lohnt sich für die Karnevalisten. Die Nachwuchsarbeit läuft. Kinder und Jugendliche treten bei der „Ömmesöns“-Sitzung auch selbst auf. So rappen DJ Ego and Friends über die Probleme im Kölner Osten, danach kommt die Profi-Karnevalsband „de Schluffe“ – natürlich alles umsonst.
Diesen Weg verfolgen die Karnevalisten aus St. Bruno nicht. Doch auch sie passen sich der veränderten Situation an. Zu ihrem Jubiläum veranstalteten sie einen karnevalistischen Familientag, auf dem Kinder aus der Gemeinde auftraten. In Zukunft möchten sie auf ihrer großen Sitzung junge Gruppen aus dem Viertel auftreten lassen. Alaaf! BRUNO KNOPP
Die Karnevalssitzung des katholischen Männerwerks Sankt Bruno findet an Karnevalssonntag statt. Beginn 18:30 Uhr im Brunosaal, Klettenberggürtel 65. Kartenbestellung bei Bernhard Kerp: 0221/438754