: „Die Zunge aus dem Hals gestreikt“
Ver.di-Boss Bsirske versuchte in Bremen streikenden Redakteuren Mut zu machen. Für „Paukenschläge“ sollen jetzt die Drucker sorgen
Bremen taz ■ Der Gewerkschaftsboss war irritiert: Da hatte Frank Bsirske, Chef der knapp 3 Millionen Mitglieder vertretenden Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, in seinem Terminkalender extra zwei Stunden freigeschaufelt, um den seit drei Wochen streikenden Redakteuren der Bremer Tageszeitungen AG (Bretag) sowie benachbarter Verlage aus Niedersachsen Mut zuzusprechen. Und dann wagten es gestern doch ein paar Wortmelder, ihm ans Bein zu pinkeln.
Wie er denn auf die Idee gekommen sei, just während des Arbeitskampfes für einen Tag Chefredakteur der Financial Times Deutschland (FTD) zu spielen, wurde Bsirske gefragt. Und warum er das für gestern geplante Interview mit der Chefredaktion des Bremer Weser-Kurier, in dem er doch den Tarifkonflikt mit den Verlegern hätte thematisieren können, abgesagt habe. Mit gerötetem Gesicht wies der Ver.di-Chef solche Vorwürfe zurück: Während er dem bestreikten Weser-Kurier nicht beim Blatt-Füllen habe helfen wollen, gebe es für die FTD keinen Streikaufruf. Also habe er dort die Chance genutzt, unter anderem einen Gastkommentar „über den Flächentarifvertrag“ abzudrucken. „Freispruch erster Klasse“, rief daraufhin ein Redakteur dem „Kollegen Bsirske“ zu – und man war wieder lieb zueinander. Und doch ist die Stimmung unter den Streikenden angespannt: „Wir Bremer haben uns wirklich schon die Zunge aus dem Hals gestreikt“, ächzte ein Redakteur. Doch damit der Streik auch Wirkung entfalte, brauche man dringend „ein paar Paukenschläge“, sagte ein anderer – „für den können nur unsere Drucker sorgen“.
Auf der Straße, so ein Zeitungsmann, werde bereits über einen „Luxusstreik“ gelästert. Dabei stemme man sich mit dem Kampf für die Verbindlichkeit von Tarifverträgen „gegen das Heraufdämmern einer sehr unguten gesamtgesellschaftlichen Entwicklung“. Zudem erfülle es „viele Kollegen mit Frust“, dass es in punkto Streikbereitschaft ein Nord-Süd-Gefälle gebe. jox