Korruption in Berlin
: System-Problem

Jürgen Marten sitzt seit 1995 im Vorstand von Transparency International Deutschland. Die Organisation versucht Korruption zu bekämpfen.

taz: Gab es bei den Vorfällen um das Tempodrom Korruption?

Jürgen Marten: Strafrechtlich kann ich das nicht beantworten. Wir definieren Korruption als den heimlichen Missbrauch von Macht zum individuellen Nutzen. Und die Tempodrom-Ereignisse lassen den Verdacht zu, das es hier korruptive Vorgänge gegeben hat – eine Verflechtung zwischen Politik und Privatwirtschaft zum eigenen Vorteil.

Zum Beispiel hat Bauunternehmer Specker 5.000 Euro für die SPD-Wahlkampfparty 2001 gezahlt.

So etwas darf prinzipiell nicht möglich sein. Die Versuche der SPD, diese nicht abgerechnete Spende durch eine angebliche öffentliche Danksagung nachträglich als Sponsoring zu legitimieren, liegt an der Grenze des Grotesken.

Haben die CDU den Bankenskandal, die Linken das Tempodrom?

Die SPD war am Bankenskandal ebenso beteiligt wie die CDU. Filz gibt es parteiübergreifend, und die Dimensionen beider Fälle sind nicht vergleichbar. Vergleichbar ist hingegen die ungenügende Transparenz, eine Hauptursache von Korruption. Eine andere ist die unklar geregelte Beziehung zwischen öffentlichen und privatrechtlichen Strukturen.

Was meinen Sie damit?

Die Politiker in der Bankgesellschaft konnten diese nicht kontrollieren. Laut Aktiengesetz durften sie gegenüber dem Parlament nicht sagen, was sie im Aufsichtsrat erfahren haben.

Ist Berlin Korruptionshauptstadt?

Nein. Aber es gibt begünstigende Bedingungen wie lange gewachsene Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft. Einige Beteiligte des Bankenskandals tauchten bereits 1986 bei der Affäre um den Baustadtrat Wolfgang Antes auf …

Antes und CDU-Größen wie Diepgen hatten Geld von Bauunternehmern angenommen …

… und Berlin ist ein Stadtstaat. Da sind Verflechtungen immer intensiver als in Flächenländern. Natürlich haben auch die lange Insellage von West-Berlin und die Subventionen eine besondere Mentalität entstehen lassen.

Hat es unter Rot-Rot einen Mentalitätswechsel gegeben?

Selbst wenn, bleibt die Frage, ob das ausreicht. Das Problem sind nicht die Einzelfälle, sondern das System organisierter Verantwortungslosigkeit. In der Wirtschaft darf es Betriebsgeheimnisse geben, in der Politik nicht. Jetzt müssen die Politiker handeln, die Öffentlichkeit erwartet konkrete Maßnahmen. INTERVIEW: DAS