HOWARD DEAN HAT SEINE KANDIDATUR IM RICHTIGEN MOMENT AUFGEGEBEN : Chance für neuen Ideenwettbewerb
Howard Dean verließ das Rennen, bevor er zum Ballast für die Demokraten wurde. Nicht nur dafür gebührt im Dank und Ehre. Denn: Ohne ihn wäre die Partei nicht so angriffsfreudig, geschlossen und siegeswillig, wie sie sich nunmehr auf dem Marsch zum Weißen Haus präsentiert. Er hat dem noch vor einem Jahr blutleeren Körper neues Leben eingehaucht. Er begeisterte junge Leute für die Politik. Während alle über den Einfluss von Interessengruppen und deren Geld im Wahlkampf klagen, hat er konsequent Kleinspenden von Bürgern gesammelt – eine Haltung, die besonders Lob verdient. Sein Engagement hat zu hohen Wahlbeteiligungen geführt, ein Umstand, von dem die Demokraten traditionell profitieren.
Deans Scheitern lehrt: Auch die innovativste Internet-Kampagne lässt sich nicht in Stimmen ummünzen. Virtuelle Politikerfolge gehen oftmals an der Realität vorbei. Der Fokus auf eine Fraktion der Stammwähler, in seinem Fall die Linksliberalen, führt in die Sackgasse. Wut und Aggression in der Politik haben zwar temporär reinigenden Charakter, verprellen aber letztlich die Wähler.
Der Abgang von Howard Dean macht endlich den Weg frei für die dringend notwendige Auseinandersetzung zwischen John Kerry und John Edwards. Edwards beugte sich nicht den Erwartungen des Partei-Establishments, Kerry nach der Wisconsin-Wahl die Krone zu reichen. Parteistrategen fürchten nun: Die Rivalen zerfleischen sich bis zum entscheidenden Wahltag Anfang März und schwächen damit die Demokraten.
Der Zweikampf ist jedoch wünschenswert. Er bereichert die Demokraten, das Wahlvolk und die verbleibenden Kandidaten. Denn vor allem der Spitzenreiter Kerry hat programmatisch bislang nicht überzeugt. In der Irak-, Wirtschafts- und Sozialpolitik vertritt er ambivalente, oftmals verwirrende Positionen. Ihm fehlt es an einer zündenden Botschaft. Und die greifbar nahe Kür zum Bush-Herausforderer lässt ihn wieder in seine alte verschlungene und ausweichende Rhetorik zurückfallen. Dass der jugendliche und sprachgewandte Edwards mit seinen klaren Positionen als Alternative zum hölzernen Vietnamveteranen erscheint, belebt den Ideenwettbewerb. MICHAEL STRECK