: Pilger-Protest mit Peitsche
Mehrere hunderttausend schiitische Wallfahrer versammeln sich in Kerbela. Antiamerikanische Proteste begleiten religiöses Treffen. Russland gegen die sofortige Aufhebung der UN-Sanktionen
KERBELA afp/dpa/taz ■ Erstmals seit Jahrzehnten haben sich gestern im irakischen Kerbela hunderttausende schiitische Pilger versammelt und ihre Rolle als wichtige politische Kraft demonstriert. Zu Beginn der zweitägigen Feierlichkeiten wurde Unmut über die Besatzung laut, aber auch Dankesbekundungen an die Adresse der USA und ihrer Verbündeten waren zu hören.
Mehrere tausend Menschen riefen bei einer der Kundgebungen in Kerbela: „Nein zu Kolonialismus, nein zu Besatzung!“. Neben Rufen wie „Nein zu Israel“ und „Nein zu Amerika“ waren Parolen gegen den entmachteten Staatschef Saddam Hussein zu hören. Viele Pilger zeigten sich aber auch dankbar gegenüber den USA. „Nur die Amerikaner konnten uns von dem Tyrannen befreien“, sagte einer von ihnen. In der zentralirakischen Stadt wurden am Dienstag und Mittwoch mehr als eine Million Pilger erwartet, um dem im Jahr 680 getöteten Imam Hussein zu huldigen. Als Zeichen der Ehrerbietung geißelten sich viele mit Ketten, einige krochen auf allen Vieren in den Schrein, in dem der Enkel des Propheten Mohammed begraben liegt.
Hohe schiitische Geistliche, die auch eine Rolle bei der politischen Neuordnung des Landes anstreben, erklärten, sie könnten aus Sicherheitsgründen nicht nach Kerbela kommen. Mohammed Bakr al-Mussawi, ein bekannter schiitischer Geistlicher aus dem Nachbarland Kuwait, warnte die Pilger sogar vor möglichen Terroranschlägen von Saddam-Anhängern. US-Truppen waren während der Feierlichkeiten nicht in Kerbela.
Vor den Beratungen im UN-Sicherheitsrat in New York bekräftigte Russland seine Ablehnung einer sofortigen Aufhebung der Sanktionen gegen Irak. China scheint sich jedoch der Position der USA anzunähern und hat sich für eine Aufhebung ausgesprochen. Über das weitere Vorgehen in Irak herrscht im obersten UN-Gremium Uneinigkeit. US-Präsident George W. Bush hatte vergangene Woche ein Ende der seit dreizehn Jahren bestehenden Sanktionen und des UN-Programms „Öl für Lebensmittel“ gefordert, was insbesondere von Moskau und Paris abgelehnt wird. Die UN-Waffeninspektoren wollen zudem ihre vor dem Krieg begonnene Kontrollmission fortsetzen.
In ungewöhnlich scharfer Form hat UN-Chefinspekteur Hans Blix die Fälschung von angeblichen Beweisen für Massenvernichtungswaffen im Irak zur Rechtfertigung des Krieges angeprangert. In einem BBC-Interview nannte Blix es „beunruhigend“, dass ein Großteil der Dokumente, auf die sich Washington und London gestützt hätten, „derart wenig solide“ seien. Als „offenkundiges Beispiel“ nannte er die angebliche Einfuhr von 500 Tonnen Uran aus Niger. FSF
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