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Archiv-Artikel

Tillich übt Kritik und Selbstkritik

Eigentlich ist für die CDU die Linke Alleinerbin der SED. Doch jetzt muss sich Sachsens Ministerpräsident rechtfertigen: Auf dem Ticket der Block-CDU wollte er in der DDR-Karriere machen. Weil die Vergangenheit hochkommt, ist er ganz schön betroffen

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich ließ seinen gewohnten Charme und sein Lächeln vermissen, als er am Montag vor die Presse trat. „Die Schlagzeilen vom Wochenende haben mich sehr betroffen gemacht“, gestand der CDU-Politiker ein. Mehrere Medien hatten über Details seiner Laufbahn als Funktionär der CDU in der DDR berichtet, die in seiner offiziellen Biografie nicht auftauchen.

Er sei aus eigenem Antrieb 1987 in die Blockpartei eingetreten und habe eine frei werdende Leitungsposition im Rat des Kreises Kamenz angenommen, räumte er ein. „Aus heutiger Sicht würde ich das so nicht wiederholen“, sagte der Regierungschef. „Ich erkenne an, dass die CDU den Machtapparat in der DDR gestützt hat.“

Nach einem taz-Porträt zum Amtsantritt Tillichs im Mai (Ausgabe vom 27. 5. 2008) hatte es bereits Anfragen von Journalisten gegeben. Darin war die bis dahin unbekannte Tatsache erwähnt worden, dass Tillich 1989 stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz in seiner sorbischen Heimat wurde, zuständig für Handel und Versorgung. Ein Posten, der nicht mehr mit Mitläufertum in einer DDR-Blockpartei zu erklären ist, allerdings in der Mangelwirtschaft der DDR auch ein höchst undankbares Amt war.

Nun recherchiert einmal mehr der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, der schon zwei sächsische Ministerpräsidenten ins Stolpern brachte, in Tillichs Vergangenheit. Der Druckereiunternehmer wird in den nächsten Wochen selbst ein Buch herausbringen, das sich mit der mangelnden Bereitschaft der CDU Ost auseinandersetzt, ihre systemtragende Rolle in der DDR zu analysieren. Es trägt den Titel „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“. Nolle wirft dem heutigen Ministerpräsidenten unter anderem vor, in seiner offiziellen Biografie Kaderschulungen und politische Weiterbildungen verschwiegen zu haben. So besuchte Tillich im ersten Vierteljahr 1989 offensichtlich in Vorbereitung seines geplanten Aufstiegs einen Lehrgang an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften Potsdam. Regierungssprecher Peter Zimmermann wies entsprechende Vorwürfe am Wochenende zwar als „Diffamierung“ zurück. Inzwischen wurde Tillichs Biografie im Internet aber ergänzt.

Tillich wollte sich bislang an diese Schulung nicht mehr erinnern. In die CDU sei er als gläubiger Katholik eingetreten, „damit ich Ruhe vor der SED habe“. Die Einheitspartei hatte ihn mehrmals als Mitglied zu werben versucht. Auch zwei vergebliche Anwerbeversuche der Staatssicherheit hatte Tillich bislang schon eingeräumt. In seiner Funktion habe er zweimal in politisch belangloser Weise auch mit Stasi-Mitarbeitern sprechen müssen. Antje Hermenau, Grünen-Chefin im Landtag, fordert Tillich auf, „reinen Tisch zu machen“. In seiner damaligen Funktion habe er Karriere machen und nicht die Nische suchen wollen.

Die Diskussionen um die DDR-Vergangenheit von CDU-Oberen fällt zusammen mit einem Ost-Antrag, der auf dem Bundesparteitag eingebracht werden soll. In der ersten Fassung hatte die Union die heutige Linke als alleinige Erbin des SED-Staates attackiert. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer rief seine CDU allerdings auf, den 20. Jahrestag des Mauerfalls zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit zu nutzen. Thüringens Regierungschef Dieter Althaus war wegen eines Briefes als damaliger Vize-Schulrektor in die Kritik geraten. Er hatte vorgeschlagen, „der Jugendweihe wieder den Inhalt einer marxistisch-leninistischen Weltanschauung zu geben“.

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