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Archiv-Artikel

Staatsbudgets geraten aus dem Lot

Der Bund und viele Bundesländer müssen bereits nach wenigen Monaten des Rechnungsjahres ihre Etats nachbessern. Die Steuereinnahmen sanken gegenüber 2002 weiter. Die Lösung heißt bislang: Die Nettoneuverschuldung wird erhöht

von CHRISTIAN FÜLLER

Die Bundesregierung muss ihr Jahresbudget für das Jahr 2003 nachbessern. Hinweise aus Regierungskreisen verdichten sich, dass der Haushalt des Bundes ohne einen so genannten Nachtrag nicht mehr im Gleichgewicht zu halten ist. Das bedeutet, dass mehr Schulden als die geplanten 19 Milliarden Euro für 2003 aufgenommen werden müssen.

„Ich gehe davon aus, dass wir Probleme bekommen“, gestand etwa die maßgebliche Finanzpolitikerin der Grünen, Christine Scheel, ein. Sie sagte der taz, dass ein Nachtragshaushalt unvermeidlich werde, falls die Steuerschätzung im Mai den Trend der ersten drei Monate dieses Jahres bestätigen würde.

Und der Trend ist schlecht. Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden waren im ersten Quartal 2003 noch geringer als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – dabei war 2002 schon ein schwarzes Jahr für die Steuerbehörden. Besonders stark waren in diesem März die Gemeinden betroffen, deren Einnahmen um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr einknickten (siehe Kasten).

Alle Ansprüche auf Steuererhöhungen hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern vorbeugend zurückgewiesen. „Ich schließe Steuererhöhungen aus, und das gilt“, sagte der Kanzler. Ob dieses Nein haltbar ist, muss sich zeigen. Denn andere Stimmen aus der Regierung malten für die zweite Notfallvariante der erhöhten Nettoneuverschuldung bereits den Teufel an die Wand – den Verfassungsbruch. Das Budget des Bundes würde, falls die Schuldenaufnahme steigen würde, aller Voraussicht nach gegen die Haushaltsgrundsätze der Verfassung verstoßen. Bislang liegt die Kreditaufnahme des Bundes mit 18,9 Milliarden Euro noch unter den Investitionen von 26,7 Milliarden Euro. Bei den bislang prognostizierten Finanzbedarfen – unter anderem 5 bis 8 Milliarden Euro für die Bundesanstalt für Arbeit – würde die Schuldenaufnahme über die Investitionen hinauswachsen. Laut Grundgesetz ist dies nicht zulässig.

Auch bei den Ländern hat das Heulen und Zähneknirschen längst begonnen. Bereits sechs von sechzehn Bundesländern sind dabei, ihren Etat für das laufende Jahr 2003 auf neue Grundlagen zu stellen. Das bedeutet, dass sie wenige Monate nach Beginn des Jahres neue Haushaltsgesetze beschließen. Dazu gehört das wirtschaftsstarke Baden-Württemberg ebenso wie das finanzschwache Niedersachsen. In Stuttgart ist die Verdopplung der Schuldenaufnahme im Jahr 2003 um 1,145 Milliarden Euro bereits beschlossen. Im neuerdings CDU-regierten Niedersachsen, wo Frontmann Christian Wulff (CDU) stets die Schuldenmacherei der SPD anprangerte, sollen 195 Millionen Euro neue Schulden aufgenommen werden.

Vornehme Zurückhaltung pflegte gestern das Land Bayern. Man gebe nicht die Ergebnisse einzelner Steuermonate bekannt, sagte ein Sprecher von Finanzministers Faltlhauser der taz. „Das verfälscht den Eindruck.“ In der Tat enthalten die Steuerschätzungen überraschende Momente. So ist zum Beispiel die Körperschaftsteuer in den ersten drei Monaten überraschend um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr angewachsen.

Die Reaktionen aus Wirtschaft und Wissenschaft waren indes krass. „Die Verteidigung des Status quo“, sagte der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, „führt uns weiter in den haushaltspolitischen Abgrund.“ Der linke Wirtschaftsforscher Lorenz Jarass von der Uni Darmstadt äußerte sich ähnlich. „Diese Regierung hat sich den Staatsbankrott auf die Fahne geschrieben“, sagte Jarass.

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