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Archiv-Artikel

USA lassen Chirac schmoren

Außenminister Powell kündigt negative Konsequenzen wegen Frankreichs Haltung zum Irakkrieg an

PARIS taz ■ Wie vor den Kopf geschlagen reagierte gestern das offizielle Paris auf neuerliche Drohungen aus Washington. „Das entspricht überhaupt nicht unseren Beziehungen zu den USA“, versicherte Regierungssprecher Copé. Zuvor hatte in Washington Außenminister Colin Powell den Franzosen negative Konsequenzen für ihre Antikriegshaltung angedroht – genau wie es seit Wochen die Falken in Washington um Rumsfeld und Wolfowitz tun. Dabei hatte Paris auf Powell und seinen mäßigenden Einfluss in Sachen Irak-Nachkriegspolitik einen großen Teil seiner Hoffnungen gerichtet.

In seinem TV-Auftritt hatte Powell nicht präzisiert, welche Strafmaßnahmen er für Frankreich plant. Doch er nahm ausdrücklich „keinen Bereich“ von möglichen Sanktionen aus. Nachdem in den Vorwochen andere US-Spitzenpolitiker einen Handelsboykott gegen Frankreich erörtert hatten, will Washington jetzt zusätzlich Frankreich offenbar diplomatisch „isolieren“. Unter anderem wird erörtert, Paris künftig nicht mehr zu internationalen Treffen einzuladen, die in den USA stattfinden. Knapp fünf Wochen vor dem in der französischen Stadt Evian geplanten G-8-Gipfel, zu dem Gastgeber Jacques Chirac auch US-Präsident Bush erwartet, gibt das den transatlantischen Beziehungen eine neue pikante Note.

Dabei hatten in Paris in den vergangenen Tagen sowohl Chirac als auch sein Außenminister Dominique de Villepin einen versöhnlichen Kurs gegenüber den USA eingeschlagen. In Paris nennen sie diese neue Politik „pragmatisch“. Vergangene Woche hatte Chirac nach einer zweimonatigen Sendepause erstmals wieder mit Bush telefoniert. Chiracs Sprecherin nannte das Gespräch „positiv“. Bei dieser Gelegenheit strich Chirac auch ein Adjektiv aus seinem Vokabular: Er spricht jetzt nicht mehr von einer „zentralen“ Rolle für die UNO im Nachkriegsirak, sondern davon, dass die USA „so bald wie möglich der UNO Platz machen“ mögen.

Ein Zeichen hatte auch das französische Außenministerium gesetzt. Es schlug vor, die UN-Sanktionen gegen den Irak zu suspendieren. Doch Washington reicht das nicht. Die USA wollen keine Suspendierung, sondern gleich die komplette Aufhebung der Sanktionen. „Frankreich besteht auf der Einhaltung des internationalen Rechts“, konterte dies gestern Außenminister Villepin.

Die Präzisierung „Suspendierung“ (statt „Aufhebung“) beinhaltet aber auch eine Hypothek auf den Wiederaufbau und die Vergabe von Aufträgen für die Zukunft des Irak. Denn solange die Sanktionen nur suspendiert sind, entscheidet die UNO. Sobald sie jedoch aufgehoben sind, fällt die entscheidende Rolle denen zu, die de facto die Macht in Bagdad haben: die USA.

Klare Worte zu den Drohungen aus Washington fand gestern in Paris der sozialdemokratische Exminister Jack Lang. „Tatsächlich verdienen allenfalls die USA Sanktionen“, sagte er, „denn sie haben ohne Zustimmung des Weltsicherheitsrates eine Militärexpedition organisiert.“ DOROTHEA HAHN