: Episteln treiben den Essteufel aus
Der Zufriedenheits-Manager Rainer Dietrich bietet diätlose Hilfe auf dem Weg zum schlankeren Körper. Mit seinen Coaching-Briefen können Interessierte im stillen Kämmerlein ihr Selbstbewusstsein auf- und Kalorien abbauen
von Christoph Kutzer
„Zufrieden – Made in Nordwest“, leuchtet es dem Besucher der Webpage „zufriedenheitsmarketing.de“ entgegen. Das dort werbende Team Rainer Dietrich – neben dem Namensgeber ein loser Zusammenschluss motivierter Ingenieure, Ärzte und Apotheker – arbeitet mit vollem Einsatz daran, dass jeder, der seine Dienste in Anspruch nimmt, sich eins Grinsen kann, wie das Maskottchen der Erfolgs-Berater – eine feiste und rundum glückliche Robbe. Neben Firmenberatung in Bereichen wie Rhetorik oder Verkaufsförderung bemüht sich der Diplom-Designer und Pädagoge Dietrich seit geraumer Zeit auch um die Probleme fülliger Mitbürger. Robben mögen sich mit ihren Speckröllchen wohlfühlen. Der Mensch neigt nun mal eher dazu, sich selbst dann noch dick zu fühlen, wenn er sich schon aus den alten Kleidergrößen herausgehungert hat.
Höllischer Humor
Klarer Fall von unterentwickeltem Selbstbewusstsein, glaubt der 54-jährige. Ein zufälliges Gespräch mit einer übergewichtigen jungen Frau stieß ihn mit der Nase auf das Problem der unheiligen Allianz zwischen gesellschaftlichen Misserfolgen, Minderwertigkeitskomplexen und kulinarischen Selbstbelohnungsmechanismen. Mit einer Reihe von Coaching-Briefen – inzwischen sind es 14 Stück – stellte er von Diäten gefrusteten Menschen ein Werkzeug zur Verfügung, das es ihnen ermöglicht, sich im stillen Kämmerlein gegen die Attacken des „Essteufelchens“ zu wappnen. Wo die „Weight Watchers“ Teilnehmer zur öffentlichen Bekanntgabe ihrer Erfolge und Misserfolge nötigen, bleibt die Intimsphäre des Einzelnen bei Dietrichs Programm gewahrt. Und Spaß soll die Selbstkontrolle auch noch machen, getreu dem interpretationsoffenen Motto: „Humor ist das Loch, aus dem die Welt pfeift.“ So flitzt ein munterer, von Dietrich entworfener Gehörnter durch seine gehaltvollen Briefe. Ein überaus perfides Wesen. „Die Essteufelchen kommen ja überhaupt nicht böse daher“, klärt der Kalorien-Coach in seinen Schreiben auf und warnt: „Sie kennen genau diesen Infobrief und das macht doch wohl stutzig...“ Und wer stutzt, der lässt sich vom Speise-Satan nicht länger zur Sahnetorte verführen. Das leuchtet ein.
Ein Diät-Diktator ist der Essteufel-Exorzist aus Ganderkesee bei Bremen nicht: „Die Leute sollen machen, wozu sie Lust haben“, erklärt er die Ziele seines Engagements. „Ob sie hinterher wieder viel essen oder Diätprodukte kaufen – sie sollen nur wissen, was sie da anstellen und warum.“ Dafür kooperiere er auch gerne mit Medizinern. Diese griffen allerdings eher heimlich auf seine Methode zurück, weil sie sonst Ärger mit ihren Berufsverbänden bekämen. Schon pfeift es wieder aus dem Humorloch. „Der einzige Verband, den ich akzeptiere, ist der Verband aus dem Verbandskasten“, witzelt der Rheinländer Dietrich. 30 bis 40 Abnehmer haben seine Coaching-Briefe inzwischen gefunden. Selbst Menschen, die gar nicht zu dick seien, hätten von der Methode profitiert, die die Kalorien ab- und das Ego aufbaue. Dazu noch zu einem konkurrenzlosen Preis: „Auf Managerseminaren können sie leicht bis zu 4.000 Euro pro Tag und Nase hinlegen, obwohl der Lerneffekt oft ziemlich zweifelhaft ist.“ Die ersten drei bis vier Lektionen mit dem „Essteufelchen“ sind hingegen gratis. Danach fallen Portokosten von rund 40 Euro an. Dietrich: „Das Programm soll sich selbst tragen. Geld verdiene ich mit anderen Seminaren.“
Fliegende Mosaiksteine
Seinen Beitrag zur Kalorieneinsparung im Rahmen des Gesamtkonzepts „Verhaltensfahrplan MENSCH“ bezeichnet der Marketing-Spezialist als Zufallstreffer: „Mir scheint, ich habe da aus Versehen etwas angepiekst, was sehr vielen Leuten auf der Seele brennt. Das Programm ist zwar nur ein Mosaiksteinchen im Gesamtbild des Zufriedenheitsmarketings, aber ein wachsendes.“ Niemand mache etwas ohne sein ganz persönliches Motiv, heißt es im ersten der Info-Briefe. Seine eigenen Beweggründe sieht Dietrich in einem Wunsch, nicht nur zuzuschauen, wie die Gesellschaft mit vermeintlich schwächeren Mitgliedern verfährt: „Ich kann die Welt nicht ändern, aber ich kann dem Einzelnen helfen, sich besser zu verkaufen und dadurch wohler zu fühlen.“ Die Welt, die er ‘68 „mit Steinen beworfen“ habe, versuche er nun durch Aufklärung zu unterwandern. Einen zentralen Stolperstein der Studentenbewegung umgeht er elegant: Er hält seine Sprache schlicht. Sein Credo: „Egal, was man macht, man kann es auch normal erklären.“