: Wahlkampf-Taktik blamiert Scherf
Auf einer Podiumsdiskussion in Vegesack landeten CDU- und SPD-Fraktion einen Überraschungscoup: Den besorgten Grohner Anwohnern erklärten sie trocken, dass der Oeversberg für die Planung eines Science Parks der IUB vorerst vom Tisch sei
taz ■ Es war eine denkwürdige Veranstaltung am Mittwochabend in der Vegesacker „Strandlust“. Eine vom Weser-Kurier veranstaltete Podiumsdiskussion mit Spitzenvertretern von SPD, CDU, Grünen und der FDP neigte sich schon fast ihrem Ende zu – man hatte sich beim Dauerthema Oeversberg festgeredet – als der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Helmut Pflugradt unvermittelt ein Blatt Papier aus seiner Aktentasche zog und etwas von „neueren Entwicklungen“ murmelte. Was er dann sagte, war ein politischer Knaller: Das geplante Gewerbegebiet Science Park der privaten International University Bremen (IUB) soll nun doch nicht auf dem Oeversberg in Grohn gebaut werden, die dortige Bezirkssportanlage bleibt erst einmal erhalten. Darauf habe sich die Große Koalition verständigt. Der SPD-Fraktionschef und Nord-Bremer, Jens Böhrnsen, nickte zustimmend.
Der Science Park soll nach dem Willen von CDU und SPD statt am umkämpften Oeversberg, auf dem geräumten Verwaltungsgelände der Norddeutschen Steingut nördlich der IUB entstehen. Das gehört bereits der Bremer Investitions-Gesellschaft (BIG). „Vorerst sind Pläne, die die Oeversberg-Bebauung betreffen, vom Tisch“, tönte Pflugradt – und Böhrnsen nickte abermals. Die Große Koalition wolle bereits in der nächsten Bürgerschaftssitzung im Mai einen entsprechenden Antrag verabschieden, so der CDUler Pflugradt – nämlich das Papier, das er aus seiner Tasche gezogen hatte. Bislang hatten die Politiker der Großen Koalition stets darauf verwiesen, dass man ein in Auftrag gegebenes Gutachten abwarten müsse, das den Standort für den Science Park bestimmen solle. Das Ergebnis dieses Gutachtens liegt noch nicht vor.
„Die Bürgerschaft hält das Gelände nördlich der IUB für besonders geeignet, um die Entwicklung des Science Parks insbesondere mit einem Gründerzentrum zu beginnen“, heißt es in der vorläufigen Fassung des gemeinsamen Entschließungsantrags. Das Gelände auf dem Oeversberg hingegen wird jetzt, vier Wochen vor der Wahl, nur mehr „als langfristige Optionsmöglichkeit für die Entwicklung der IUB“ beschrieben.
Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert und Parteichef Klaus Möhle, denen Pflugradt den Antrag noch auf dem Vegesacker Podium überreichte, reagierten einigermaßen verdattert auf die neue Entwicklung – waren die Grünen doch noch im vergangenen Oktober in der Bürgerschaft mit ihrem Antrag gescheitert, der vorgeschlagen hatte, just die Gewerbebrachflächen der ehemaligen Steingut-Verwaltung als Alternativstandort für innovative Firmen vorzusehen. Linnert kündigte gleichwohl an, dass ihre Fraktion dem rot-schwarzen Antrag nicht zustimmen werde. Die Formulierung mit der „langfristigen Option“ wollten sich die Grünen jedenfalls nicht zu eigen machen, so die Fraktionschefin. Sollte der Science Park ein großer Erfolg werden, bleibe immer noch Zeit zu prüfen, ob und wo weiter geplant werden könne, ließ sich Linnert dennoch ein Hintertürchen offen.
Besonders skurril: Vor dem Pflugradtschen Überraschungscoup hatte Bürgermeister Henning Scherf (SPD) die Science Park-Planungen für den Oeversberg eine halbe Stunde lang mit Zähnen und Klauen verteidigt – ohne die neue Haltung der Koalitionsfraktionen mit einer Silbe zu erwähnen. Scherf, der an diesem Abend einmal nicht als jovialer Landesvater, sondern als scharfzüngiger Polemiker auftrat, kanzelte mehrere Fragesteller aus dem Publikum harsch ab, die sich für die Erhaltung der Oeversberg-Sportanlage ausgesprochen hatten. Die IUB sei „ein phantastisches Projekt mit großartiger Perspektive“, jubelte Scherf. Sogar die „Leitartikler der Weltpresse“ würden an prominenter Stelle auf die IUB in Bremen hinweisen. Deswegen gelte es jetzt, Unternehmen in Grohn anzusiedeln, die zur IUB passten – ganz nach dem Muster des „aus allen Nähten platzenden“ Technologieparks an der staatlichen Bremer Uni. „Wir wollen nicht jemand aus Blumenthal oder Burg-Lesum dahin lotsen, sondern internationale Unternehmen“, redete sich Scherf in Rage. „Wir wollen hier keinen closed shop haben, sondern eine internationale Ausbildung für die Kinder gewährleisten – damit die auf dem Arbeitsmarkt mehr Chancen haben als ihre Väter, die zur Zeit arbeitslos sind.“ Als aus der Menge einzelne „Lügner“-Rufe ertönten, drohte der Bürgermeister seine Contenance zu verlieren. „Sie ertragen das nicht, Sie ertragen nicht, dass ich Klartext rede“, rief Scherf empört.
„Die haben den gemeinsamen Antrag erst aus dem Hut gezaubert, als der Druck zu groß wurde“, interpretiert Marie-Luise Birk von der „Aktionsgemeinschaft Grohner und St.Magnuser Bürger“ gegen die Verlagerung der Bezirkssportanlage den bizarren Verlauf des Vegesacker Abends. Scherf habe doch nicht umsonst „mit all seiner Autorität“ deutlich gemacht, dass er den Science Park eigentlich auf dem Oeversberg haben wolle. „Ich freue mich zwar über die jetzige Zusage der Koalition, das heißt aber nicht, dass wir für immer still halten werden“, so Birk.Markus Jox