Korea etc.

Seit fünfzig Jahren herrscht auf der koreanischen Halbinsel ein Waffenstillstand, der Koreakrieg (1950 bis 1953) ist nie offiziell durch ein Friedensabkommen beendet worden. Der Krieg führte zur gegenseitigen Verteufelung, die beiden Regimen zur eigenen Herrschaftssicherung höchst willkommen war, zum Teil auch noch ist. Zwar bekannten sich beide Staaten immer zur Wiedervereinigung, doch verstanden sie darunter nur die Unterordnung des jeweils anderen unter das eigene System.

Bis zu Beginn der Siebzigerjahre herrschte zwischen beiden völlige Funkstille, ein erstes Abkommen gab es erst 1972, der bilaterale Handel wurde im Süden überhaupt erst 1988 legalisiert. Zwischen Nord- und Südkorea gibt es weder Telefon-, Post- noch Verkehrsverbindungen. Die seltenen Familientreffen ausgewählter Personen – erstmals 1985 erlaubt – sind streng überwachte Propagandaveranstaltungen.

Jahrelang wirkte der kommunistische Norden aktiver bei der Propagierung einer Wiedervereinigung, während im streng antikommunistischen Süden die populäre Forderung nach Wiedervereinigung als subversiv galt. Erst mit der Präsidentschaft des langjährigen Oppositionspolitikers Kim Dae-Jung und seiner Sonnenscheinpolitik fand 1998 ein Kurswechsel statt. Seitdem ermuntert der Süden kontrollierte Kontakte, während der Norden bisher zu verhindern verstand, dass Besucher als „Trojanische Pferde“ fungieren.

Du-Yul Song darf zwar nicht nach Südkorea einreisen, aber seine Bücher finden in seiner Heimat reißenden Absatz. Wenn seine auf Video aufgezeichneten Vorträge in den Universitäten laufen, platzen die Hörsäle aus allen Nähten – ähnlich wie jüngst die Kinos auf der Berlinale, als ein neuer Dokumentarfilm über ihn lief.

Generationenübergreifend wurde Professor Song zu einer politischen Ikone, als er 1988 einen Artikel mit dem Titel Wie soll man Nordkorea verstehen? veröffentlichte. Der Text gilt als der bis heute gültige „Leitfaden“ der kritischen Nordkoreaforschung im Süden, weil er zum ersten Mal eine konkrete, anwendbare Methode für den Umgang mit dem Nachbarland vorschlug. Er fußt auf der so genannten immanenten Methode, die Song in seiner Habilitation am Beispiel eines Systemvergleichs Sowjetunion/China entwickelt hat: Gesellschaften wie die nordkoreanische, so seine These, lassen sich am genauesten beobachten, wenn man die sozialistischen Ideale selbst zum Maßstab der kritischen Analyse macht.

SVEN HANSEN/DOROTHEE WENNER