: Ländern ist Folter-Prävention zu teuer
Bundesregierung will Zusatzprotokoll der UNO unterzeichnen, doch Bundesländer wollen nicht noch mehr Kontrollen
FREIBURG taz ■ Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat die Bundesregierung aufgefordert, den Schutz gegen Folter zu verbessern. Sie solle „zügig“ das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention unterzeichnen und ratifizieren. Vorgesehen ist dabei ein unabhängiges nationales Besuchssystem in Gefängnissen, Polizeistationen und psychiatrischen Einrichtungen.
Die Anti-Folter-Konvention von 1984 ist ein völkerrechtlicher Vertrag, den auch Deutschland ratifiziert hat. Sie sorgt dafür, dass Folter in allen Unterzeichnerstaaten strafbar ist. Umstritten ist nun, ob Deutschland auch das im Dezember 2003 ausgehandelte Zusatzprotokoll unterzeichnet, das eher auf Prävention setzt. Dort werden die Staaten verpflichtet, Gremien einzurichten, die regelmäßig Einrichtungen besuchen, in denen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist dafür, das Abkommen zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Dem müssen jedoch auch die Bundesländer zustimmen, da viele der betroffenen Einrichtungen in ihren Kompetenzbereich fallen. Und hier ergab eine erste Umfrage ein ganz eindeutiges Bild: SPD- wie CDU-regierte Länder sind ziemlich einmütig dagegen. Sie halten die Anforderungen des Zusatzprotokolls für überflüssig und zu teuer.
Die Länder verweisen darauf, dass zum Beispiel Gefängnisse heute schon über unabhängige Anstaltsbeiräte verfügen, in denen oft die örtlichen Landtagsabgeordneten tätig sind. Diese Beiräte können die Anstalt besuchen und mit den Gefangenen auch ohne Überwachung sprechen. Auch im Bereich der psychiatrischen Einrichtungen haben die meisten Länder bereits Kommissionen vorgesehen, die unangemeldet Einrichtungen besuchen können.
Allerdings fehlen solche Einrichtungen bisher für den Polizeigewahrsam, obwohl dort die Gefahr von Misshandlungen am größten sind. Auch die Folter-Androhung des Frankfurter Polizei-Vize Wolfgang Daschner gegen den Entführer Magnus G. erfolgte auf einer Polizeiwache. Das Institut für Menschenrechte nutzte jetzt auch die Anklageerhebung gegen Daschner, um auf den Konflikt um das UN-Zusatzprotokoll aufmerksam zu machen.
Nationale Kontrollmechanismen fehlen außerdem für Alten- und Pflegeheime sowie für geschlossene Kinder- und Jugendheime. Die Länder verweisen allerdings darauf, dass die Anti-Folter-Kommission des Europarates bei ihren zweijährlichen Rundreisen in Deutschland auch solche Einrichtungen besucht. Die Nichtunterzeichnung des Zusatzprotokolls ist deshalb wohl vor allem ein außenpolitisches Problem. Wie kann man Staaten außerhalb Europas von präventiven Anti-Folter-Konzepten überzeugen, wenn sie selbst den Deutschen zu teuer sind?
CHRISTIAN RATH