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Archiv-Artikel

Junge sehen alt aus

Neue Rentenpläne benachteiligen die Jüngeren. Wettbewerb um Jobs wird sich verschärfen

von BARBARA DRIBBUSCH

Der Ton zwischen den Generationen konnte schon immer bissig werden, wenn es etwas zu verteilen gab. „Rentnertod stoppt Wohnungsnot“, lautete ein Spruch im wohnraumknappen Westberlin vor vielen Jahren. Demnächst könnte sich der Unmut der jungen Generation anderweitig äußern: Nach den neuen Rentenplänen der Rürup-Kommission zahlen die Jüngeren viel ein in das System, bekommen später wenig raus und müssen bis zum 67. Lebensjahr ackern.

Nach diesen Vorschlägen soll der Beitragssatz in der Rentenversicherung bis zum Jahre 2030 auf maximal 22 Prozent des Bruttolohns beschränkt werden – das sind zweieinhalb Prozentpunkte mehr als heute. Durch einen neuen „Nachhaltigkeitsfaktor“ in der Rentenformel soll das Ruhestandsgeld dann aber um 5 Prozent niedriger liegen als jetzt. Außerdem bekommen die heute unter 34-Jährigen erst im Alter von 67 Jahren die volle Rente, für die heute unter 46-Jährigen gilt dann eine Altersgrenze von 66 Jahren. Wer früher in Rente geht, muss mit Abschlägen rechnen.

Die Jüngeren haben weniger zu erwarten, müssen aber nach wie vor kräftig einzahlen – die Rürup-Kommission wollte mit dem neuen „Nachhaltigkeitsfaktor“ dabei sogar noch Schlimmeres verhüten. Denn ohne diesen Faktor, so hatten die Experten errechnet, müsse der Beitrag zur Rentenversicherung im Jahre 2030 auf 24 Prozent steigen. Dennoch kritisierte der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU, Andreas Storm, gestern die geplante künftige Höhe des Beitrags von 22 Prozent.

Der „Nachhaltigkeitsfaktor“ in der neuen Formel berücksichtigt erstmals das Verhältnis von Erwerbstätigen und Ruheständlern. Leben in Deutschland immer mehr Rentner und immer weniger Erwerbstätige, wird der Rentenanstieg gedämpft.

Das geplante höhere Renteneintrittsalter dürfte die Älteren allerdings künftig ohnehin länger im Jobmarkt halten. Denn für die heute unter 34-Jährigen soll es erst mit 64 Jahren möglich sein, in eine vorgezogene Rente mit den entsprechenden Abschlägen zu gehen. „Der Verdrängungswettbewerb auf dem Jobmarkt wird sich verschärfen“, sagt Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs bei der Düsseldorfer Hans-Böckler-Stiftung. Die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters ist deshalb auf heftige Kritik gestoßen. Die DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer erklärte, die Kommission habe sich um die entscheidende Frage des tatsächlichen Renteneintritts „herumgedrückt“.

Tatsächlich sieht die Praxis heute so aus, dass die unter 65-Jährigen meist auf Kosten der Sozialversicherungen in den frühen Ruhestand geschickt werden. Viele Betriebe setzen ihre Beschäftigten z. B. im Alter von 57 Jahren auf eine subventionierte „Altersteilzeit“ bis zum Alter von 62 Jahren. Aus dem Betrieb scheiden sie dabei faktisch schon mit 60 Jahren aus. Mancher beantragt nach der Altersteilzeit noch Arbeitslosengeld bis zum Alter von 65 Jahren, dem gesetzlichen Renteneintrittsalter, um keine Abschläge bei der Rente hinnehmen zu müssen.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt begrüßte gestern jedoch die neuen Rürup-Pläne und die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Die von den Arbeitgebern anfangs befürwortete Frühverrentung habe sich als Fehler erwiesen, so Hundt, „jetzt bedarf es der Umstellung der Unternehmer“. In der Praxis sei von einem solchen Umdenken nichts zu merken, rügt dagegen Tarifexperte Bispinck, „da klafft ein Abgrund zwischen den schönen Worten und der Wirklichkeit. Die meisten Firmen wollen ihre Älteren nach wie vor loswerden.“

Axel Börsch-Supan, Mitglied der Rürup-Kommission, betonte gestern allerdings, dass der Arbeitsmarkt in 20 und 30 Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung wesentlich entspannter sein werde als heute, „deswegen ist die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters durchaus angemessen“. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die Kommissionsvorschläge bisher lediglich als „gangbaren Weg“ bezeichnet; was davon umgesetzt wird, ist noch unklar.