: Hauptstadt der Narren ist Köln schon heute
Rund eine Million Jecke säumen in Köln den Rosenmontagszug. Der nimmt die Berliner Reformer aufs Korn. Die CDU bleibt weitgehend verschont. OB Schramma nutzt die Chance und macht kostenlos Werbung
Köln taz ■ Sozis und Ökos klatschen hieß es auch beim diesjährigen Rosenmontagszug in Köln. Auf großen Persiflagewagen ließ das Festkomitee Kölner Karneval Dampf ab – unter anderem zur missglückten Rentenreform („die erste Rente gibt‘s demnächst erst im Himmel“). Umweltminister Trittin erhielt als Dose einen Fußtritt, Kanzler Schröder mit der Kettensägennase durfte sich als Reformer versuchen (alles halb so schlimm) und „Es geht bald aufwärts“-Clement war ein Ballon, der mit Lachgas gefüllt wurde.
CDU-Politiker blieben weitgehend vom Spott verschont, hatten die lokalen Christdemokraten es doch schon im Vorfeld geschafft, einen Wagen zu entschärfen. So wurde Ex-Fraktionschef und Bundestagsabgeordneter Rolf Bietmann – zurückgetreten, weil die Fraktion nicht so wollte, wie er wollte – statt in einen Papierkorb in einen „Koffer nach Berlin“ entsorgt. Schwer zu deuten war eine Tafel, die OB Schramma als Augias zeigte, der Haushaltsloch und Museumsloch ausfegt; in der Sage war es bekanntlich Herkules, der den verdreckten Stall des Augias reinigte. Der Rest war nette Lokalkritik – etwa am Hochhausblick („Hier fehlt nur vom Balkon die Aussicht auf den Dom“) oder am Kniefall Schrammas vor RTL . Der OB persönlich durfte, als Hänneschen verkleidet, im Zug mitmarschieren und den Botschafter für die (erträumte) Kulturhauptstadt Europas 2010 spielen, durfte bütze und Kamelle schmeißen (alle mit „Kulturhauptstadt“-Aufkleber). Nur mit dem zappeligen Stabpuppengang haperte es. „Lach doch ens, es weed widder wäde“ (Lach doch mal, es wird wieder werden) war das Motto des Zuges. Eine Million Jecke entlang der Strecke folgten dem Motto: Nicht die Wagen sind das Wichtigste, sondern das Schunkeln, das Fangen von Kamelle, das mitgebrachte Pittermännchen. Der OB ging vorbei, und heute ist auch Karneval geschafft.
Jürgen Schön