: Last-Minute-Personalie
Justizsenator Roger Kusch gibt Startschuss für die Erweiterung des neuen Superknastes Billwerder – und setzt im Eilverfahren Vize-Anstaltsleiter ein
Von Marco Carini
Zur Degradierung gab es die Ohrfeige kostenlos dazu: „Jeder soll die Aufgabe übernehmen, für die er am besten geeignet ist“, kommentierte Justizsenator Roger Kusch die geplante Zwangsversetzung der Vize-Anstaltsleiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder, Hannelore Evard. Für Kusch geeignet an die Stelle der erfahrenen Anstaltsleiterin zu treten, ist der 27-jährige Hanschristian Lohmann, den der Justizsenator gestern offiziell als Evard-Nachfolger präsentierte. Mit ihm haben wir einen „Spitzenjuristen für diese Aufgabe gewonnen“, freut sich Kusch. Eher ein Spitzenstudent: Denn über juristische Praxiserfahrungen verfügt der Richter auf Probe, der gerade erst sein Referendariat beendet hat, schon aus Altersgründen nicht.
Für die justizpolitische Sprecherin der Hamburger GAL-Fraktion, Heike Opitz, ist die Lohmann-Berufung „ein neues Kapitel der unglaublichen und zweifelhaften Personalpolitik“ des Roger Kusch. „Hier wird eine nicht vakante Stelle neu besetzt und erfahrenes Personal vor den Kopf gestoßen.“ Da Lohmann zudem in anderthalb Jahren im Rahmen des Ausbildungsganges auf eine Richterstelle wechseln muss, werde hier „jemand eingestellt, der nach der Einarbeitungszeit sofort wieder geht“. Opitz weiter: „Warum hier eine Woche vor der Wahl dieser völlig unerfahrene Jurist auf diese Position gehoben wird, bleibt das Geheimnis des Justizsenators.“
Ebenfalls brisant: Die Last-Minute-Personalie wurde offenbar ohne Ausschreibung und im Eilverfahren rechtzeitig vor der Wahl in trockene Tücher gebracht. „Ich bin erst vor kurzem gefragt worden, ob ich das machen will“, bekennt Lohmann, dass er sich auf den Job nicht formal beworben hat. „Eine Stelle des höheren Dienstes muss verwaltungsintern ausgeschrieben werden“, weiß die SPD-Abgeordnete Andrea Hilgers. Wenn das nicht geschehe, bedürfe es einer begründeten „Ausnahmegenehmigung des Senats“. Von so einer Lex Lohmann sei der SPD aber nichts bekannt. Hilgers: „Hier besteht Aufklärungsbedarf.“
Erst kurz nach dem Lohmann-Abgang im Sommer 2005 soll die Justizvollzugsanstalt Billwerder fertig gestellt werden. Gestern erfolgte in Anwesenheit von Roger Kusch der Spatenstich für den zweiten Bauabschnitt. Zu den bestehenden 419 Haftplätzen sollen bis zum Herbst kommenden Jahres 384 weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Strafgefangene entstehen. Bis zum Herbst dieses Jahres soll der Knast, der unter Rot-Grün als offene Vollzugsanstalt konzipiert worden war, mit einer 1,7 Kilometer langen Mauer umbaut werden. Gesamtkosten des Sicherheits-Prestigeprojekts: rund 92 Millionen Euro.
Für Roger Kusch war der Spatenstich, den er aufgrund der Nachwehen des auf ihn erfolgten Attentats nicht selbst ausführen konnte, noch einmal Gelegenheit, kräftig die Wahlkampftrommel zu rühren. „Der Ausbau dieser Haftanstalt macht Hamburg wieder ein Stück sicherer“, konstatiert der Justizsenator die Einlösung von Wahlversprechen. Da sei es schon vertretbar, so Kusch, „dass das Geld an anderer Stelle fehlt“.