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Archiv-Artikel

Tiefer bohren im Berliner Sumpf

Während die Wasserbetriebe immer höhere Gebühren kassieren, drohen der Mutterholding Verluste. Die Opposition befürchtet, dass die Wassergewinne auf schlechten Geschäftsfeldern versickern

VON RICHARD ROTHER

Haben Sie schon einmal daran gedacht: Seit Neujahr ist in Berlin jede Tasse Tee oder Kaffee, jedes Duschen und jede Waschmaschinenwäsche 15 Prozent teurer! Zumindest was den Wasserpreis angeht. Dass es bei dieser saftigen Gebührenerhöhung der Berlinwasser Holding (BWH), der Mutter der Berliner Wasserbetriebe (BWB), gut geht, kann dennoch nicht behauptet werden. Im Gegenteil.

Die Holding, an der das Land Berlin mit 50,1 Prozent beteiligt ist, benötigt laut Medienberichten nun einen Zuschuss von 50 Millionen Euro. Das Land Berlin müsste demnach rund 25 Millionen Euro zahlen und könnte dafür einen Teil des Gewinns der Wasserbetriebe einsetzen. Bereits im Jahr 2002 erwirtschaftete die Holding ein Minusergebnis von über 80 Millionen Euro.

Zwar werde für 2003 mit einem negativen Ergebnis gerechnet, Genaueres lasse sich aber bis zum Jahresabschluss der Holding nicht sagen, betonte gestern eine Sprecherin der Senatsfinanzverwaltung. „Wir wollen die Missstände bei den Landesbeteiligungen aufdecken und die Altlasten beseitigen.“ Die Frage der Eigenkapitalausstattung der Wasserholding sei aber völlig losgelöst von den Wassergebühren zu betrachten, so die Sprecherin.

Tatsächlich hat das Minus bei der Holding zunächst nichts mit dem Kerngeschäft der Berliner Wasserbetriebe, der Wasserversorgung und -entsorgung der Betriebe und Haushalte, zu tun. In der Holding sind nämlich Unternehmungen zusammengefasst, die sich mit dem so genannten Wettbewerbsgeschäft befassen: Dazu gehören etwa die Telekommunikationsgesellschaft BerliKomm, die Hume-Rohr, Wassertechnik Essen sowie Auslandsbeteiligungen in China oder Ungarn. Engagements, die in der Vergangenheit den Gesellschaftern der Holding, dem Land Berlin, RWE und Veolia (vormals Vivendi), oft wenig Freude bereiteten.

Die Wasserbetriebe sehen sich dennoch auf dem richtigen Weg: Die eingeleiteteten Konsolidierungsmaßnahmen würden bereits greifen, erklärten gestern die Wasserbetriebe. Mehrere Gesellschaften seien bereits veräußert beziehungsweise durch Sanierungskonzepte neu ausgerichtet worden. Um die Konsolidierung zu einem Erfolg zu führen, benötige die Holding Kapital. Lösungsmöglichkeiten würden jetzt diskutiert.

Der Grünen-Finanzexperte Jochen Esser bezweifelte gestern allerdings den Erfolg der angestrebten Sanierungen. Für einzelne Wasser-Töchter müsse überlegt werden, ob ein Ende mit Schrecken nicht besser sei als ein Schrecken ohne Ende, so Esser. Das Geschäftsmodell der BerliKomm sei gescheitert. Statt Großkunden zu akquirieren, wie es etwa der Kölner Telekommunikationsdienstleister Netcologne mache, betreibe die BerliKomm „ein Brot-und-Butter-Geschäft“. Letztlich lasse sich nicht verhindern, dass solche Verluste mit Gewinnen ausgeglichen würden, die durch die hohen Wassergebühren in der Hauptstadt erzielt würden. Immerhin rund 80 Millionen Euro Gewinn erwartet Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) in diesem Jahr durch die höheren Wassergebühren.

Auch der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Dietmann kritisierte gestern die bisherigen Sanierungsbemühungen. Es könne nicht sein, dass die defizitäre Berlinwasser Holding auf Dauer das Ergebnis der Berliner Wasserbetriebe belaste. Dies könnte zu weiteren Wasserpreiserhöhungen führen. Der Skandal sei, dass zum einen der Gebührenzahler dafür haften müsse und zum anderen nicht unerhebliche Summen dem Landeshaushalt verloren gingen.

Dietmann: „Die Mittel für die Berlinwasser Holding mit einem Volumen von insgesamt 50 Millionen Euro reihen sich nahtlos in die Herausgabe von Bürgschaften in Höhe von 316 Millionen Euro durch die Anteilseigner ein.“ Diese seien bereits 2002 zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes der BWH zur Verfügung gestellt worden. Die Berliner und Berlinerinnen müssten seit Anfang des Jahres dafür die Zeche in Form gestiegener Wasserpreise zahlen.

Der Grünen-Politiker Esser zieht einen drastischen Vergleich. Weil sich kein internationaler Großkonzern in Berlin niederließ, wollte man mit der Wasserholding – wie bei der Bankgesellschaft – einen eigenen internationalen Konzern gründen. Nun litten die Berliner unter den Folgen: als Steuer- und Gebührenzahler.