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Archiv-Artikel

Deutschland sucht die Superuni-Jury

Bevor Rot-Grün die versprochenen 1,25 Milliarden Euro für deutsche Elite-Unis los wird, muss erst der Konflikt zweier Jurys geschlichtet werden. Bildungsministerin Bulmahn will konkurrierende Auswahl-Gremien berufen – Ärger ist programmiert

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Als Detlef Müller-Böhling gestern beim Wissenschaftsrat auftrat, war das eine Frage der Ehre: Die Reputation seines Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) stand auf dem Spiel, die Zukunft der deutschen Elite-Unis und irgendwie auch die von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). Denn würde Müller-Böhling den Daumen senken, dann müsste Bulmahn erneut eine Niederlage einstecken – was sich die Wackelkandidatin im Schröder-Kabinett nicht erlauben darf.

Es sieht nicht gut aus für Bulmahn. Müller-Böhling, der mit seinem CHE ein anerkanntes Hochschulranking macht, informierte zwar als Gutachter ganz sachlich über die Methodik einer Bundesligatabelle der Hochschulen. An der Idee Bulmahns, den halbstaatlich besetzten Wissenschaftsrat eine quasiamtliche Rangliste basteln zu lassen, hat Müller-Böhling aber Grundsatzkritik: Er hält die Aufgabe für unklar, den Wissenschaftsrat für nicht unabhängig – und sieht die Ministerin längst weitergeeilt. „Bulmahn ist mit ihren Reformen so schnell, dass das, was gestern noch wichtig war, heute schon nicht mehr gilt“, sagte der CHE-Chef der taz.

Für Gerhard Schröder würde ein Misslingen der Causa Elite-Uni schwerer wiegen als die übliche Unzufriedenheit mit Bulmahn. Denn diesmal ist sie drauf und dran, seine, des Kanzlers, Initiative für Elite-Unis in den Sand zu setzen. Politischen Rückhalt freilich darf die Bildungsministerin nicht verlieren – denn in Fachkreisen hat sie kaum mehr Verbündete.

Das wird an Bulmahns jüngstem Fehler deutlich: Die Ministerin will zwei konkurrierende Gremien mit einer praktisch identischen Aufgabe betreuen – die besten deutschen Unis zu ermitteln. Das Dumme ist: Wer die von Bulmahn berufene internationale Jury des Elite-Uni-Wettbewerbs mit dem lächerlichen Namen „Brain up! Deutschland sucht die Superuni“ überzeugt, dem winken satte 250 Millionen Euro. Wer aber das seriöse Uni-Ranking anführt, das der Wissenschaftsrat anfertigen wird, hat die Ehre – und geht leer aus.

„Zwei konkurrierende Gremien“, warnt daher Reinhard F. Hüttl, „das gibt Ärger.“ Hüttl ist nicht irgendwer, sondern Deutschlands wichtigster Wissenschaftsgutachter. Seit 1993 entscheidet er über das Wohl und Wehe ganzer Forschungsinstitute. Bereits 2003 hat er – von Bulmahn – den Auftrag bekommen, das erste staatlich autorisierte Ranking zu erstellen – nun ist er sauer. Seine Uni-Tabelle hat zwar einen hohen Anspruch („besser als alle bisherigen Rankings“), für die Elite-Millionen aber ist sie irrelevant – die werden auf den Wink der Jury hin vergeben, die neben und gegen Hüttl arbeiten wird.

Der Ärger ist verständlich. Was wird geschehen, wenn eine Uni in der Rangliste auf Platz eins landet – aber beim Millionenspiel um deutsche Elite-Unis leer ausgeht? Dann ist alles möglich: vom Aufschrei der benachteiligten Region über Boulevard-Kampagnen bis hin zur Klage gefoppter Spitzenunis. Und natürlich die Kritik der Fachwelt. Der Generalsekretär des Wissenschaftsrats, Wedig von Heyden, sagte bereits spitz, „wir sind erstaunt über die Existenz zweier konkurrierender Auswahlgremien.“

Die Wissenschaftsminister der Union triumphieren ohnehin. „Wir brauchen ein fundiertes Konzept für das Uni-Ranking und keine Bewerbungsshow, wie Bulmahn sie plant“, sagte Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU), der die ganze Aktion für „verfassungsrechtlich nicht tragbar“ hält. Und sein Kollege Thomas Goppel (CSU) aus Bayern höhnt über Bulmahns Doppeljury, „das kann gar nicht funktionieren, denn der Fehler liegt im System.“

Wichtiger aber ist Jürgen Zöllner (SPD), Bulmahns Parteifreund und Koordinator der SPD-Bildungsminister. Stützte er seine Rivalin bei der Vergabe der Milliardenspritze für Ganztagsschulen noch, so geht er sie nun bei der Suche nach Spitzenforschung frontal an. „Der Wissenschaftsrat muss eine entscheidende Rolle bei der Auslese spielen, gerade weil er das Hochschulranking erstellt“, sagt Zöllner und arbeitet an einem Gegenkonzept zu Bulmahn – zusammen mit der CDU.

Und was macht Bulmahn? Sie versucht den Konflikt wegzureden. Das Uni-Ranking und der Wettbewerb zur Elite-Uni ergänzten sich, sagte sie der taz. Und schwieg zur Gretchenfrage, wie die Jurys kooperieren könnten.