: Berlin fegt gegen rechts – nach der Demo
Neonazis wollen am 1. Mai auch in Berlin marschieren. Dort will man sie ignorieren – und hinterher symbolisch fegen
BERLIN taz ■ Die extreme Rechte marschiert am 1. Mai getrennt. Erstmals nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens mobilisiert die NPD wieder bundesweit zu einem eigenen Aufmarsch in Berlin. Während die verunsicherte Parteibasis sich einen „Triumphmarsch“ wünscht, gibt sich die Führung nach außen zurückhaltend. NPD-Pressesprecher Klaus Beier geht von „mindestens“ 1.500 Teilnehmern aus. „Es können aber auch 2.000 bis 3.000 kommen.“ Als Redner ist neben NPD-Chef Udo Voigt der Hamburger Rechtsanwalt und langjährige Neonazi-Aktivist Jürgen Rieger angekündigt. In der Szene gilt Rieger als Vertreter des offen nationalsozialistischen Flügels.
Mit Parolen gegen Sozialabbau und die USA versucht die NPD, über die übliche Klientel aus Skinheads und altgedienten Rechten hinaus auch unzufriedene Parteigänger von DVU und Republikanern zu mobilisieren. Auch der Demonstrationsort – Westberlin – wird zum Teil der „politischen Strategie“ verklärt – „um zu zeigen, dass die NPD keine Ostpartei ist“, so Beier.
Im internen Machtkampf der extremen Rechten gilt der 1. Mai dieses Jahr vor allem als Indikator, ob die NPD ihre Führungsrolle nach zweijähriger Stagnationsphase und einem Schwund um rund 1.000 auf knapp 5.500 Mitglieder wieder ausfüllen kann. Denn die ebenfalls bundesweit vernetzten militanten Freien Kameradschaften um den Hamburger Neonazi Christian Worch nutzten die Verbotsdebatte, um ihre eigene Position auszubauen. Für den 1. Mai rufen sie zur Demo ins sachsen-anhaltische Halle. Beobachter erwarten hier den Aufmarsch von mindestens 1.000 militanten Rechten.
Präsenz wollen die Freien Kameradschaften auch in Dresden und in Frankfurt am Main zeigen. Dort waren die Neonazis in den letzten zwei Jahren am 1. Mai mit ihren Demonstrationen aufgrund des massiven Widerstands aus der Bevölkerung und eines rigiden Polizeikonzepts kaum zum Zug gekommen. In diesem Jahr wird mit weniger als 500 Teilnehmern vor allem aus Süddeutschland gerechnet.
Mit unterschiedlichsten Aktivitäten reagieren Neonazigegner. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, die SPD und das Bündnis „Europa gegen Rassismus“ wollen es mit symbolischem Protest versuchen. Die Bevölkerung soll die Demo der Rechten mit „Nichtachtung“ strafen. Dann will man mit einer „Kehraus“-Aktion die Straßen fegen. Allerdings besteht das Bündnis „Gemeinsam gegen Rechts“ von Gewerkschaften und unabhängigen Antifaschisten auf Zivilcourage statt Symbolik und hat Kundgebungen entlang der Aufmarschroute der NPD angemeldet. Ein Konzept, mit dem Nazigegner auch in Halle (Saale) auf Erfolg hoffen.
Ganz anders dagegen Frankfurt am Main, das einen Imageschaden für das alljährliche Radrennen befürchtet, das am 1. Mai Zehntausende auf die Straßen bringt. Die Frankfurter „Anti-Nazi-Koordination“ aus Kirchen, Gewerkschaften und unabhängigen Linken ruft offen zur Sitzblockade auf, um die Rechten gar nicht erst vom Platz zu lassen. Für den Fall, dass die Polizei die Straße frei räumt, haben unabhängige Antifaschisten schon präventiv „kreative Aktionen“ im Stadtgebiet und beim Kanzlerauftritt bei der zentralen DGB-Maifeier angekündigt.
HEIKE KLEFFNER