: Konziliant, beinhart und brutal
SPD bilanziert ein Jahr FDP/CDU-Landesregierung in Niedersachsen: Nun gelte nur noch das „gebrochene Wort“; die FDP sei eine „optische Täuschung“
Hannover taz ■ Vergangene Woche war er noch „ganz unten“, gab Sigmar Gabriel gestern zu. Doch dann kehrte der SPD-Fraktionschef wieder aus dem Tal der von ihm angeblich zu Ministerpräsidenten-Zeiten verschwiegenen Beraterverträge zum normalen Geschäft eines Oppositionschefs zurück: auf die Regierung eindreschen. „Konziliant in der Form“, aber „in der Sache beinhart und gegenüber Teilen der Bevölkerung auch brutal“ sei CDU-Ministerpräsident Christian Wulff in seinem ersten Amtsjahr vorgegangen, sagte Gabriel.
Seit dem Wahlsieg von CDU und FDP am 2. Februar 2003 gelte in Niedersachsen „das gebrochene Wort“. Bei der inneren Sicherheit finde gar eine „Wiederbelebung der reaktionären CDU der 80er Jahre“ statt. Die FDP sei in diesem Bereich eine „optische Täuschung“ gewesen, „liberale Korrekturen“ hat es laut Gabriel nicht gegeben. Bei den Hochschulen würden 40 Millionen Euro „nach dem Rasenmäherprinzip“ gekürzt, bei der angekündigten Aufstockung der Lehrerstellen habe die neue Landesregierung die Eltern schlicht „betrogen“. Von den versprochenen 2.500 Stellen seien bereits in den ersten elf Monaten seit Regierungsantritt 700 weggefallen, bis 2007 würden laut Finanzplanung weitere 700 gestrichen. Die Schulreform koste noch einmal 1.100 Stellen, so Gabriel.
Ein „besonderes Beispiel für die Verlogenheit dieser Regierung“ sei der Wegfall der Hausaufgabenhilfe. Vor der Wahl habe Wulff noch gegen drohende Kürzungen protestiert, jetzt streiche die Regierung trotz zehn Prozent Schulabbrechern die Hilfe selbst. Wulff habe sich einst auch gegen Kürzungen bei der Lernmittelfreiheit und bei der Sprachförderung gewandt. Jetzt gebe es dafür keinen Cent mehr. Im Widerspruch zu Wahlkampf-Aussagen stünden auch Einsparungen bei der Pflege alter Menschen, der Sportförderung und den öffentlich Bediensteten. Es sei eine „Dreistheit“, dass Landesregierung Städten und Gemeinden 200 Millionen Euro vorenthalte, die das Land durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe spare, wetterte Gabriel weiter.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende David McAllister, den Gabriel gerade als “Reaktionär mit jungem Gesicht“ betitelt hatte, bezeichnete die Vorwürfe als „billige Kritik einer laschen SPD-Opposition“. McAllister: “Jetzt, wo Sigmar Gabriel keine Regierungsverantwortung mehr trägt, macht er plötzlich dicke Backen.“
ksc