: Steeernenhimmel, oho
Am 1. Mai wird das 3001-Kino zwölf Jahre alt – und feiert mit Filmen von W. C. Fields bei freiem Eintritt, dass es während der ganzen Zeit seines Bestehens konstant auf Vielfalt setzten konnte
von URS RICHTER
Die Sonne scheint, da setzt sich niemand freiwillig unter dunkle Sternenhimmel. Die schimmern sanft von der Decke des 3001-Kinos hinunter auf knapp 100 Sessel, die zur heutigen Nachmittagsvorstellung ausnahmsweise unbesetzt bleiben. Rainer Krisp, Mitgründer des Kinos und für die Vorführschicht eingeteilt, nimmt‘s gelassen. Nach zwölf Jahren Programmkinoerfahrung wird der Routinier nicht nervös über solche Vorsommerflauten. An Besuch mangelt es im Übrigen nicht: Ein Kollege vom B-Movie schaut vorbei; über den Hinterhof der ehemaligen Füllfederhalterfabrik im Schanzenviertel latscht ein Typ mit Gitarrenkoffer und möchte wissen, ob Robert Crumb doch noch kommt; der Szene-Filmredakteur bringt Sichtungskassetten zurück, und irgendjemand rennt immer auf die Toiletten.
Mittlerweile ist auch Carl Schröder eingetroffen, der zweite 3001-Vater, kämpft tapfer mit Bratnudeln vom Asia-Imbiss und überlässt das Erzählen fürs Erste Kompagnon Krisp. Beide kennen sich von der Arbeit beim ‘68-bewegten, lang schon eingegangenen Centralfilmverleih und unterhielten mehrere Jahre ein 16 mm-Hinterzimmerkino im Café in der Oelkersallee, „Duckenfeld“, benannt nach dem gemeinsamen Lieblingsstummfilmkomiker William Claude Dukenfield.
Die Eröffnung des 3001 am 1. Mai 1991 verdankte sich dann einerseits dem handwerklichen Ehrgeiz, 35-mm-Kopien bei sattem Ton auf eine ordentlich zurechtgekaschte Leinwand zu projizieren, andererseits aber auch der Unzufriedenheit mit dem Hamburger Filmangebot: In allen Ufa-Schachteln wird dasselbe genudelt und wer mal einen Film verpasst, kann ihn mit Glück drei Jahre später nur noch in der Glotze gucken. Ähnlich dem Metropolis fungierte das 3001 daher die ersten Jahre als Repertoirekino und zeigte Filme, die auch Jahre oder Jahrzehnte nach der Erstaufführung nicht verdienen, in staubige Archivregale entsorgt zu werden.
Nach der zehnten Wiederholung von Lubitschs Sein oder Nichtsein oder Buñuels Der diskrete Charme der Bourgeoisie muss das anfängliche Konzept jedoch erweitert werden. Heute laufen im 3001 auch viele Erstaufführungen, an die die übrigen Programmkinos der Stadt sich nicht herantrauen. Die enge Zusammenarbeit mit kleineren, unabhängigen Verleihen besorgt den Nachschub, mancher Film kommt gar durch Direktanfrage bei der Produktion nach seiner Festivaltour direkt in die Schanzenstraße. Wenn solches Engagement wie im Falle von Sonia Herman Dolz‘ wunderbarem Lagrimas negras, einer Dokumentation über kubanische Musik-Opis, dann auch noch zum Kassenknaller wird, finden die 3001-Macher ihren Mut doppelt belohnt.
Apropos Lohn: Fünf Festangestellte leben von ihrer Arbeit im Kino, und da alle alles machen müssen, bekommt jeder das Gleiche – soweit das Kollektivprinzip. In der Praxis setzen sich dann unterschiedliche Neigungen durch, was offenbar gut funktioniert. Krach gibt es, versichern die Herren, höchstens über manchen Filmvorschlag. Lust auf‘s Kinomachen ist ihnen darüber jedoch nie vergangen, im Gegenteil. Das gegenüberliegende Lauegelände oder die Güterbahnhallen in der Harkortstraße waren früher bereits angedacht als mögliche 3001-Ergänzungen, im Moment steht ein weiteres Objekt auf der Wunschliste. Vom großen Sterben der Multiplexhydra bleibt das kleine Programmkino ebenso unberührt wie vom Galão-Feeling des Piazzageschnösels. Ihr Publikum fordert seit zwölf Jahren vor allem eine Konstante, sagen die 3001-Betreiber. Und diese Konstante heißt: Vielfalt.
Geburtstag gefeiert wird am 1. Mai von morgens bis abends bei freiem Eintritt zu Filmen von W. C. Fields. Alles Gute, 3001!