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Nach erneuter Flucht heftige Debatte um geschlossene Heime. Sozialbehörde macht LEB-Chef Wolfgang Lerche für Pannen verantwortlich. Opposition erklärt Feuerbergstraße für gescheitert, Diakonie spricht von „konzeptioneller Sackgasse“

von KAIJA KUTTER und ELKE SPANNER

KritikerInnen hatten es prophezeit: Die Fluchtquote aus geschlossenen Heimen ist ebenso groß wie die aus offenen. Doch weil es hier um Symbolpolitik geht, begann am Wochenende das erste Köpferollen, nachdem binnen zwei Tagen zwei 14-jährige Jugendliche gleich zweimal aus dem Heim Feuerbergstraße entwichen. Der Leiter des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung (LEB), Wolfgang Lerche, räumte am Sonntag seinen Posten. Neuer Chef des staatlichen Jugendhilfeträgers wird Dirk Bange, der als Referent in der Sozialbehörde das Heim-Konzept erarbeitete.

„Es war offensichtlich, dass es Pannen gab, für die Herr Lerche als Geschäftsführer verantwortlich ist“, sagt Sozialbehördensprecherin Annika Wichert. Bange soll nun dafür sorgen, dass die Feuerbergstraße mit den richtigen Mitarbeitern besetzt werde.

Zuletzt waren am Freitag zwei Erzieher mit zwei 14-Jährigen vor die Tür gegangen. Doch der für diesen Bereich geplante drei Meter hohe Sicherheitszaun ist noch im Bau, zudem lagerte dort Holz, das die Jungen als Kletterhilfe nutzten. Wichert „fragt sich, warum die Erzieher nicht in den Innenhof gegangen sind“.

„Es sind Fehler gemacht worden, die personell zuzuordnen sind“, sagt auch der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Hesse. Bauliche Mängel oder menschliches Versagen könnten bei „so vielen Entweichungen in so kurzer Zeit keine Ausrede mehr sein“.

„Herr Lerche wird hier zum Bauernopfer“, hält SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer dagegen, der erst vor 14 Tagen die Einrichtung in Ohlsdorf besichtigte. Sein Fazit: „Der Senat ist zu doof, um geschlossene Unterbringung fachlich fundiert zu machen.“ Schon die Räumlichkeiten seien, so Böwer wörtlich, „scheiße“. Es gebe nur enge Räume und Flure und ausschließlich Neonlicht. Der viel zu kleine Innenhof habe vom Fußballspiel auf Mutterboden schmuddelige Wände. „Jeder Tierschutzverein würde sagen, das ist nicht artgerecht“, glaubt Böwer.

Nach seiner Einschätzung hat Senatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) die Situation eskaliert, weil sie nach der jüngsten Flucht im März bei Wiederholung personelle Konsequenzen androhte. Damit würden die Jugendlichen zu „Bestimmern des Prozesses“.

Böwers Kritik zielt in Richtung Neubau. Doch dies geht für Martin Apitzsch vom Diakonischen Werk in die falsche Richtung: „Das Problem ist das Vorhalten von geschlossenen Heimen an sich“, sagt er. Die Behörde sollte sich mit Fachkräften der Jugendhilfe zusammensetzen, um einen Weg aus der „konzeptionellen Sackgasse“ zu finden.

Dafür hat sich gestern auch die GAL-Abgeordnete Christa Goetsch ausgesprochen. Die Jugendlichen bräuchten keine hohen Zäune, sondern eine intensive pädagogische Betreuung. Dieses Heim aber, sagte Goetsch, „wird langsam zur Posse“.