Tatort Weserstadion

Eine Wanderausstellung im DGB-Haus zeigt die Schattenseiten des Fußballs: Sexismus, Homophobie, Rechtsextremismus. Auch einige Werderfans brüllen schwulenfeindliche Parolen

taz ■ Vergewaltigungs-Comics in Fanzines, Stadiongesänge mit dem Inhalt „Wir bauen eine U-Bahn von St.Pauli bis nach Auschwitz“ und Profifußballer, die sich nicht vorstellen können, gegen Schwule zu spielen, weil, so der Düsseldorfer Michael Schütz, „man würde gegen so einen nicht richtig rangehen, weil eine gewisse Furcht vor Aids da wäre“. Keine üblen Ausrutscher, sondern Beipiele dafür, wie stark rassistische, antisemitische, frauen- und schwulenfeindliche Tendenzen zum Fußball und seiner Fankultur dazugehören. Das ist das Fazit der gestern im DGB-Haus eröffneten Wanderausstellung „Tatort Stadion“.

Seit anderthalb Jahren touren die Ausstellungsmacher vom Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF) mit ihrer Sammlung von Zitaten, Fan-Artikeln und Fotos durch Fußballdeutschland. In Bremen wird auf zwei Extra-Schautafeln mit dem Mythos aufgeräumt, dass das Weserstadion ein Ort ist, in dem Rechtsextremismus und Homophobie vor den Toren bleiben. „Schwuler“ werde auch von Werder-Fans als Schimpfwort für Spieler der gegnerischen Mannschaft verstanden, erzählt Wilko Zicht, Werderfan und Bremer BAFF-Mitglied. Und eine Fan-Gruppierung, die Bremer „Eastside“, war im Herbst mit einem Transparent „Huren- und Schwulenverein Drecksundneunzig“ zum Auswärtsspiel nach Hannover gereist.

Auch Rechtsextreme fühlen sich im Weserstadion nach wie vor zu Hause, erzählen linke Bremer Fußball-Fans. Und BAFF-Mann Zicht wurde vor kurzem Zeuge davon, wie jemand in der Ostkurve vorschlug, den Schiedsrichter in Auschwitz aufzuhängen. Vor dem Weserstadion verkauft bei Heimspielen regelmäßig ein Händler Schals in den Farben der Reichskriegsflagge mit den Aufschriften „Mein Vaterland – Deutschland“ und „Ehre – Treue – Vaterland“.

Doch nicht alle tragen ihre Gesinnung offen zur Schau: „Äußerlich sind viele nicht mehr als Nazis zu erkennen“, sagt Gerd Dembowski, einer der beiden Berliner BAFF-Organisatoren. Statt Hakenkreuzen und „Heil Hitler“ werden Zahlen verwendet, die Hitlers Initialen symbolisieren sollen. „Wahrscheinlich gibt es längst neue Codes, die wir noch gar nicht entschlüsselt haben“, vermutet Dembowski. Und: „Verbote helfen da nicht wirklich weiter.“ Stattdessen müssten die Fans selbst Grenzen setzen und aktiv werden. „Gegenkulturen aufbauen“ nannte das gestern die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck. Sie ist neben Werder-Präsident Jürgen L. Born und Bremens Ex-Bürgermeister Hans Koschnik Schirmherrin der Ausstellung.

Die sei auch ein Versuch, Leute stärker zu sensibilisieren, sagt Dembowski. Schließlich sei im Stadion nur das hör- und sichtbar, was auch außerhalb geredet und gedacht wird. „Viele benutzen ja solche Zeichen oder vermeintliche Schimpfworte wie ‚Schwuler‘, ohne sich darüber Gedanken zu machen.“ Auch Fußballprofis haben die Ausstellung schon vereinzelt besucht.

Eiken Bruhn

Geöffnet Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, DGB-Haus, Bahnhofsplatz 22 -28. Infos und Anmeldungen für Führungen von Schulklassen: ☎ 33 57 621