Radikal werden

Das Junge Theater will mit mehr Mut in die neue Spielzeit starten. Den wird es brauchen: Hinter der Finanzierung etlicher Projekte stehen noch Fragezeichen

Anja Wedig: „Die Antragsverfahren schreiben wir dann eben nachts.“

Der Umzug macht’s möglich: „Mutiger und radikaler“ werden will das Junge Theater in der Schwankhalle. Dafür setzt man auf Uraufführungen wie „Casting“ von Feridun Zaimogu. Das, eine Auftragsarbeit, ist für den 10. September als erste Premiere im neuen Haus vorgesehen.

Den Anspruch formulierte Carsten Werner. Bremer Produktionen, so der Verantwortliche für die Schwankhallen-Konzeption, müssten sich „mit der Arbeit von Bühnen wie dem Hebbel-Theater messen“. Und „da können wir auch hin“.

Den größten Beitrag dazu soll in der kommenden Saison eine Koproduktion mit der genannten Berliner Bühne liefern. Terminiert ist die Uraufführung von „Oi! Warning“ aber erst auf Mitte März 2004: Noch schreiben die Brüder Dominik und Benjamin Reding an der Theaterfassung ihres gleichnamigen Spielfilms – keinesfalls eine bloße Übertragung des Leinwanderfolgs auf die Bühne, sondern ein eigenständiges Stück, so Anja Wedig.

Die Schauspielerin, seit vergangenem Jahr Leiterin des Theaters, wies auf den anhaltenden Finanznotstand des Ensembles hin. Ein Großteil der Projekte für 2004 sei finanziell noch nicht gesichert. Die institutionelle Förderung des Jungen Theaters liege „seit 1997 unverändert“ bei 100.000 Euro per anno. Zudem verschlinge das komplizierte Antragsverfahren für Projektförderung Zeit „etwa im Umfang einer Stelle“. Das resignative Fazit: „Die schreiben wir dann eben nachts.“ Noch im Januar hatte das Junge Theater notgedrungen eine Spielpause eingelegt – und kollektiv auf Gehälter verzichtet.

Positive Effekte verspricht hingegen der Umzug in die Schwankhalle. Ab August, so die Planung, können die vier „artists in residence“ das Gebäude am Buntentorsteinweg nutzen. Das sind neben dem Jungen Theater die Steptext Dance Company, die Musikerinitiative MIB und der Quartier e.V.. Zwei Bühnen, funktionierende Technik und keine Abhängigkeit des Vorstellungsbeginns vom Bundesbahnfahrplan – paradiesische Zustände nach drei harten Jahren Güterbahnhof.

Noch vor dem Umzug wollen die Theaterleute zeigen, dass die Bündelung der performing-arts wirklich zu so genannten „Synergie-Effekten“ führt: Die Reihe von Wohn- und Ladenlokal-Performances unter dem Titel „freiRäumen“ wird diesmal mit den übrigen Schwankhallenmietern gemeinsam veranstaltet. Interesse dürften die auch am „kreativen Input“ des neu aufgelegten „Theater für alle“-Festivals haben: „Für unsere jetzige Spielzeitplanung haben sich daraus unglaublich viele Kontakte ergeben“, so Wedig.

Schon am 14. Mai und damit noch im alten Domizil die nächste Produktion: Falk Richters Irak-Krieg-Stück „Sieben Sekunden“ in einer von Carsten Werner inszenierten Leseperformance. Am selben Ort soll fortan die Konzertreihe „Dorfdisco“ fest verankert werden. Diese werde Popmusik „zum Zuhören und Wahrnehmen“, nicht „zum Abtanzen“ anbieten. bes