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Archiv-Artikel

Finaler Aktionismus

Niedersachsen setzt auf Todesschuss und Regelanfrage – Bremen kennt beides, doch der Nutzen bleibt fraglich

Von jox

taz ■ Der niedersächsische CDU-Innenminister Uwe Schünemann hat gestern als Konsequenz der Bremer Geiselnahme vom vergangenen Freitag angekündigt, die generelle Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor Einbürgerungen einzuführen. Gegenwärtig werde in Niedersachsen der Verfassungsschutz lediglich bei der Einbürgerung von Zuwanderern aus „25 islamischen Staaten und der Türkei“ beteiligt, so Schünemann. Bereits unmittelbar nach der Bus-Entführung hatte der Innenminister angekündigt, dass sein Land vorhabe, den „finalen Rettungsschuss“ als letztes Mittel der Polizei rechtlich abzusichern.

Als vor zwei Jahren das Bremische Polizeigesetz überarbeitet wurde, zofften sich SPD und CDU lange über die gezielte Tötung etwa eines Geiselnehmers im äußersten Notfall. Nach zähen Verhandlungen konnte die CDU die SPD überreden, den „finalen Rettungsschuss“ in das Gesetz aufzunehmen – mit der Einschränkung, dass der tödliche Schuss nicht vom Einsatzleiter der Polizei angeordnet werden dürfe. Die Entscheidung zum Schuss ist – zumindest theoretisch – Sache des einzelnen Beamten. Bremen habe, was den „finalen Rettungsschuss“ betrifft, „die beste und modernste Formulierung“, die es in Deutschland gebe, sagt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hermann Kleen. „Wir haben keinen Bedarf, daran irgendetwas zu ändern.“

Auch die Regelanfrage beim Verfassungsschutz ist in Bremen schon länger Usus. Hielten sich die Behörden früher an eine „Liste mit problematischen Staaten“, so ist das Land nach den Terroranschlägen vom elften September 2001 dazu übergegangen, den Verfassungsschutz vor ausnahmslos jeder Einbürgerung zu kontaktieren. Auch der 17-jährige Bus-Entführer libanesischer Herkunft muss mithin, bevor er im vergangenen Jahr eingebürgert wurde, vom Verfassungsschutz überprüft worden sein.

„An diesem Fall sieht man, wie wenig das bringt“, sagt der innenpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Güldner. „Der Verfassungsschutz kann nicht in die Köpfe der Leute reinschauen“, so Güldner, „und er kann auch nicht wissen, was die zu Hause im Kinderzimmer so für Phantasien ausbrüten“. jox