: „Gar nicht auf dem Eis“
Deutschlands Kufencracks gewinnen ihren WM-Auftakt gegen Japan zwar mit 5:4, offenbaren dabei aber Mängel in Abstimmung und Einsatz. Ob das zu mehr als dem Klassenerhalt reicht, ist fraglich
aus Helsinki CHRISTIANE MITATSELIS
Der freundliche finnische Journalist verfolgte das Geschehen auf dem Eis der Hartwall-Arena mit großer Aufmerksamkeit. Er war so etwas aber offensichtlich nicht gewohnt. Je länger das Spiel zwischen Deutschland und Japan dauerte, desto entsetzter wurde sein Blick. Als es vorbei war, sagte er nur noch: „Oh, Germany played really great hockey“ – und meinte doch genau das Gegenteil: Die deutsche Nationalmannschaft spielte in ihrer ersten Vorrunden-Partie bei der Weltmeisterschaft in Finnland gegen den Fernost-Qualifikanten entsetzlich schlechtes Eishockey. Nämlich: konzeptlos und gleichzeitig überheblich. Das einzig Gute für das Team von Bundestrainer Hans Zach war das Ergebnis: Deutschland siegte glücklich mit 5:4 und hat damit das Minimalziel, nämlich den Klassenerhalt in der A-WM, auch schon so gut wie erreicht.
Trotz einer 3:0-Führung nach nur neun Minuten ließ die deutsche Mannschaft Japan, das bei einer Weltmeisterschaft noch nie ein Spiel gewonnen hat, noch im ersten Drittel bis auf 2:3 herankommen. Defensivspiel-Enthusiast Zach war sauer: „Jeder wollte sich nach dem 3:0 in die Scorerlisten eintragen. Das geht nicht, man darf die Abwehr nicht so vernachlässigen – auch nicht gegen Japan“, tobte er. Die Asiaten waren den deutschen Spielern körperlich um viele Zentimeter und etliche Kilos zwar unterlegen, ihr Plus aber war, dass sie das Spiel, im offensichtlichen Gegensatz zu den Deutschen, sehr ernst nahmen. Sie ackerten unermüdlich und wuselten sich so immer wieder in die Zone des Gegners durch. Stürmer Tino Boos sagte: „Es war ein komisches Spiel. Sie sind gerannt wie die Wilden.“ Trotzdem schloss Deutschland das erste Drittel mit 4:2 ab, geriet am Ende nach dem erneuten japanischen Anschlusstreffer aber wieder unter Druck. Keeper Robert Müller rettete sein Team mit brillanten Paraden vor der Blamage.
Zachs erstes Fazit: „Das Ergebnis ist gut für uns. Wir werden die Videos analysieren und versuchen, unsere Fehler zu erkennen und zu beheben.“ Die Erkenntnis sollte schnell kommen. Denn heute um 15 Uhr spielt Deutschland schon gegen die Ukraine. Die Osteuropäer verloren zum Auftakt zwar gegen Titelverteidiger Slowakei mit 3:9, sind aber laut Bundestrainer „ungefähr genauso stark wie wir“. In den bisherigen sechs Begegnungen gewann die deutsche Auswahl zweimal, verlor zweimal und spielte ebenso oft remis. „Wenn wir uns als Einheit präsentieren und 60 Minuten kompakt spielen, ist ein Sieg möglich“, glaubt Zach – und leitete damit zu einem Problem über, das sich in Finnland kaum noch beheben lassen wird.
Zachs Mannschaft hatte wegen des späten DEL-Endspiels sehr wenig Zeit, sich auf die WM vorzubereiten. Die acht Spieler der Finalisten Krefeld und Köln sowie der Coach persönlich fehlten in den Testspielen; vor der Partie gegen Japan konnten alle zusammen nur dreimal trainieren. Entsprechend offensichtlich war gegen Japan, dass die Abstimmung im Team nicht stimmt. Zudem wirkte die Mehrheit der Kölner und Krefelder Profis völlig ausgelaugt. Zach, der kurz vor dem Turnier noch verkündet hatte, er habe damit kein Problem, sagte jetzt: „Wir müssen viel arbeiten. Es geht nicht, dass der eine so spielt und der andere so.“ Zachs erste Hilfsmaßnahme: Der Coach nominierte die Iserlohner Lasse Kopitz und Christian Hommel nach. Ab der Zwischenrunde sind der Stürmer und der Verteidiger spielberechtigt.
Erich Kühnhackl, deutsche Eishockey-Legende, fand das Japan-Spiel schlimmer als der Trainer: „Viele Spieler waren gar nicht richtig auf dem Eis. Der Verband und die Liga müssen künftig etwas unternehmen“, warnte er. Schließlich sei die Nationalmannschaft das Aushängeschild des deutschen Eishockeys. Auch Franz Reindl, DEB-Sportdirektor, meinte: „Das geht so nicht. So kann man schnell in die Relegationsrunde kommen.“
Dieses Schicksal wird Deutschland in diesem Jahr aller Voraussicht nach erspart bleiben – anders als dem Team USA. Nach einem 2:5 gegen Aufsteiger Dänemark und einem 0:1 gegen die Schweiz müssen die US-Amerikaner gegen den Abstieg spielen.