Bayern hat endlich eine Opposition: die Lehrer

Der Krach um die Schulreform der CSU wird immer lustiger. Nun streiten Politiker und Lehrer darum, wer unbeliebter ist

MÜNCHEN taz ■ Niemand ist glücklicher darüber, dass es Lehrer und Politiker gibt, als wir Journalisten. Wenn nach dem Ansehen bestimmter Berufssparten in der Bevölkerung gefragt wird, dann dürfen wir Schreiberlinge immerhin hoffen, dass entweder die Lehrer („faule Säcke“) oder die Politiker („alles Lügner“) noch hinter uns landen. Dafür schon mal ein Dankeschön.

Allerdings herrscht im Moment gewisse Verwirrung darüber, wer denn momentan den letzten Platz in dieser Rangliste belegt. Erwin Huber, der als CSU-Superminister in Bayern schon qua seines Amtes für alles zuständig ist und also genau Bescheid wissen muss, hat vor ein paar Tagen festgestellt, dass die Lehrer, gerade im bildungsbeflissenen Freistaat, nun einmal im, wie Huber es schön ausdrückt, „Sozialranking“ ganz unten stehen. Das hätten die Pauker, die verbale Prügel gewohnt sind, wohl widerspruchslos hingenommen, hätte Huber sie bei einer Veranstaltung im Örtchen Mamming nahe Passau nicht auch noch mitsamt der Elternschaft als „weinerlich“ verhöhnt und auf diesen fiesen alten Vorurteilen herumgetrampelt. „Es muss eine Zeit kommen“, wurde Huber in der Passauer Neuen Presse zitiert, „in der nicht erst nach drei Wochen mit dem Unterricht begonnen wird und nicht schon Anfang Juli die Bücher wieder eingesammelt werden.“ Wenn zum Beispiel BMW Betriebsurlaub mache, „wird auch am ersten und bis zum letzten Tag produziert“. Uiuiui, das saß, wo doch in Bayern die Ferien erst im August beginnen.

Aber jetzt schlagen die Lehrer zurück. Max Schmidt, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes, bescheinigte dem Minister ernsthafte Schäden in der Elektrik: „Bei Herrn Huber scheinen die Sicherungen durchgebrannt zu sein. Er befleißigt sich einer Diktion, die sogar noch die Ausfälle von Gerhard Schröder gegen die Lehrer übertrifft. Wer so daherredet, der hat offenbar seine Nerven aufgrund des anhaltenden Widerstandes gegen die geplanten Schulreformen nicht mehr im Griff.“ Dann holte Schmidt zum entscheidenden Schlag aus. „Im Übrigen“, sauste die Keule nieder, „sollte der Politiker Huber daran denken, dass die niedrigste Position im Sozialranking der Berufe die Politiker einnehmen.“

Nun, das stimmt fast, aber nicht ganz. In einer groß angelegten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach zum Prestige bestimmter Berufsgruppen vom vergangenen Jahr finden sich auf dem letzten Platz unter 18 vorgegebenen Berufen überraschenderweise – Buchhändler. Davor rangiert der eher seltene Beruf des Gewerkschaftsführers, dann kommen schon die Politiker. Journalisten retten sich auf Platz 14, während Grundschullehrer einen stolzen 6. Rang einnehmen, knapp hinter Rechtsanwälten.

Auf welche Liste hat Huber da bloß geschaut? Vielleicht war es einfach so, wie Bayerns Kultusministerin Monika Hohlmeier erklärte, die kurz nach Huber in Mamming Station machte: „In den vergangenen Wochen sind Worte gefallen, die auch einen Erwin Huber verletzt haben.“

Sicher, dieses ewige Genörgel der Lehrerinnen und Lehrer an der geplanten schnellen Einführung des achtjährigen Gymnasiums, den harten Sparmaßnahmen der CSU-Regierung, zusätzlichem Unterricht – das kann einem schon an die Nieren gehen. Zumal die Christsozialen mit ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament eines einfach nicht mehr gewohnt sind: Gegner zu haben. Da bekommen sie zurzeit reichlich Nachhilfeunterricht. Gestern von Bauern und Studenten, heute von den Lehrer, morgen beim politischen Aschermittwoch gar von Polizisten, die massive Proteste angekündigt haben. Die Ordnungshüter waren bei der letzten Allensbach-Umfrage übrigens nicht auf der Liste.

JÖRG SCHALLENBERG