Usbekistan kuschelt mit der Nato
In dem zentralasiatischen Land Usbekistan findet eine Katastrophenschutz-Übung der Nato statt. Usbekistan möchte Mitglied des Verteidigungsbündnisses werden. Damit würde die Allianz bis fast an die chinesische Grenze reichen
TASCHKENT taz ■ Ein starkes Erdbeben und darauf folgende Erdrutsche haben die Region um die Stadt Ferghana verwüstet. 1.050 usbekische Katastrophenhelfer und 225 weitere aus mehr als 20 Nationen – darunter acht Deutsche vom Technischen Hilfswerk – nehmen an der anschließenden Rettungsaktion teil. So weit das Szenario für die Übung des dreitägigen Programms im Rahmen der „Partnerschaft für den Frieden“ der Nato im usbekischen Teil des Ferghana-Tales, das gestern begann. Doch hinter dem, was sich aus militärischer Sicht so harmlos anhört, verbergen sich wichtige strategische Entwicklungen.
Zwar nehmen an der Übung keine Soldaten teil, aber dass es Usbekistan gelungen ist, die Helfer ins Land zu holen, zeigt schon, dass die Nato die usbekischen Bemühungen, in das Verteidigungsbündnis aufgenommen zu werden, ernst nimmt. Erst Mitte April war eine hochrangige usbekische Delegation in Brüssel und „überzeugte auf ganzer Länge“, wie es nach dem Besuch aus dem Umfeld der Nato hieß.
Sollte das zentralasiatische Land die Hindernisse um die Offenlegung militärischer Daten ausräumen, könne es bald eine aktive Rolle im Planungs- und Revisionsausschuss der Nato spielen – einem Gremium, in dem auch die osteuropäischen Länder vor ihrer Aufnahme Mitglied wurden. Der Hinweis auf die Daten bezieht sich darauf, dass Usbekistan bis Juni 2002 als eines der wenigen Länder keine Informationen über seine Armee preisgegeben hat.
Entscheidend für die Aufnahme in die Nato dürfte jedoch ohnehin der Wille ihres maßgeblichen Mitglieds, der USA, sein. Die haben sich zwar öffentlich noch nicht dafür ausgesprochen, aber dass sie die Aufnahme befürworten, ist ein offenes Geheimnis. Denn für sie ist Usbekistan zum engen Verbündeten in einer strategisch eminent wichtigen Region geworden. Trotz der Tatsache, dass die Bevölkerung fast einhellig den Krieg gegen den Irak ablehnte, war Usbekistan Teil der „Koalition der Willigen“. Auf einem Flughafen in Karschi, im Südwesten des Landes, wurden nach dem 11. September 2001 rund 3.000 US-Soldaten stationiert. Und sie scheinen sich auf Dauer hier einzurichten. Denn anders als in Kirgisistan macht die usbekische Regierung die US-Militärpräsenz nicht von der Entwicklung in Afghanistan abhängig.
Überhaupt sind die USA sind im exsowjetischen Zentralasien inzwischen eindeutig zur Führungsmacht geworden. Auch Tadschikistan nämlich hatte den USA nach dem 11. September einen Flughafen für den Krieg gegen Afghanistan angeboten. Die USA entschieden sich jedoch für das vermeintlich stabilere Kirgisistan. Und auch in Kasachstan haben US-Flugzeuge in Notfällen, die immer interpretationsbedürftig sind, Landerechte. Das heißt, die USA können in Zentralasien gegenüber Russland auftreten, wie sie wollen.
Die Militärpräsenz ist vor allem gegen ein Land gerichtet, das erst langfristig ein strategischer Rivale werden wird. Denn vom uskebischen Territorium sind es nur 150 Kilometer bis zur chinesischen Westgrenze. Diese Entwicklung muss China mit äußerstem Misstrauen beobachten, denn es gibt in der westlichen Siankiang-Provinz eine militante separatistische Bewegung. Kulturell fühlen sich die Menschen dort Zentralasien zugehörig.
Für die Nato würde ein zukünftiges Mitgliedsland Usbekistan eine ganz neue Herausforderung mit sich bringen: eine von einem Franzosen geführte Nato-Delegation, die im Herbst vergangenen Jahres Usbekistan besuchte, kam zu dem Ergebnis, dass in dem Land „eine der schlimmsten Diktaturen der Welt“ herrsche. Nur: Wer kann sich heutzutage noch seine Freunde aussuchen. PETER BÖHM