: Kirche fordert Zukunft
Am sozialpolitischen Aschermittwoch drängen die Kirchen im Ruhrgebiet auf mehr Verteilungsgerechtigkeit und Perspektiven für Jugendliche
VON NATALIE WIESMANN
Die Förderung der Perspektiven und des Selbstwertgefühls Jugendlicher stand im Mittelpunkt der Rede des Präses Nikolaus Schneider am sozialpolitischen Aschermittwoch der Kirchen. Der Jugend gehöre schon lange nicht mehr die Zukunft, kritisierte das Oberhaupt der evangelischen Kirche im Rheinland vor etwa 200 Besuchern. „Jedem das Seine: Einkommens- und Verteilungsgerechtigkeit vor dem Aus?“ war das Motto der Veranstaltung in der Evangelischen Auferstehungskirche in Essen, die vom Karneval wieder auf die ernsten Dinge des Lebens lenken sollte.
Die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen unter 25 Jahren steige in NRW mehr als doppelt so stark wie die Gesamtarbeitslosigkeit, so Schneider. Trotz aller Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und des Ausbildungskonsenses seien im Januar diesen Jahres noch 2.300 Jugendliche in NRW ohne Ausbildungsplatz. Laut Angaben des NRW-Wirtschaftsministeriums bildeten nur noch 24 Prozent der Betriebe aus, 54 Prozent könnten jedoch ausbilden. „Ausreichend Ausbildungsplätze für Ausbildungsfähige und Ausbildungswillige“ fordert er vehement.
Sein katholischer Kollege, der Essener Bischof Felix Genn, ging in seiner Rede vor allem auf die Bevölkerungsgruppen ein, die von der Armut am meisten betroffen sind: „Das Gesicht der Armut ist zunehmend jung, ist immer noch weiblich und immer noch alt.“ Immer mehr Kinder im Ruhrgebiet lebten unter dem Existenzminimum. Sie seien mitbetroffen von der Langzeitarbeitslosigkeit ihrer Eltern und übernähmen zudem deren Perspektivlosigkeit.
Von staatlicher Unterstützung abhängig seien von den Kindern abgesehen zum großen Teil Frauen. „Von diesen sind 50 Prozent Alleinerziehende“, so Genn. Zusammen mit den katholischen Verbänden fordere das Bistum Essen seit Jahren eine gerechtere Familienpolitik. Dazu gehöre ein einheitliches Kindergeld von mindestens 220 Euro monatlich pro Kind, und ein Erziehungsgeld für drei Jahre von mindestens 450 Euro im Monat, konkretisiert Genn seine Vorstellungen.
Ungewöhnlich modern pocht das katholische Oberhaupt auch auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu brauche man mehr familiengerechte Arbeitsplätze und ein vielfältiges Kinderbetreuungsangebot.