: „Viele Stimmen verspielt“
Sedat Samuray, einziger türkischstämmiger Ortschef der Berliner CDU, befürwortet den EU-Beitritt der Türkei, den seine Partei ablehnt. Seine Mitgliedschaft macht er davon aber nicht abhängig
VON STEFAN ALBERTI
taz: „Stoiber: Beitritt der Türkei wäre das Ende der politischen Union Europas“. Hingegen „Schröder: Türkei kann sich auf uns verlassen“ – Herr Samuray, sind Sie als Beitrittsbefürworter bei diesen Schlagzeilen nicht in der falschen Partei?
Sedat Samuray: In einer Volkspartei wie der CDU wird es nie so sein, dass Sie mit allen Positionen übereinstimmen. Und ich weiche eben in diesem Punkt vom Bundesvorstand ab. Aber meine Mitgliedschaft hängt nicht von der Beitrittsfrage ab.
Was ist für Sie entscheidendes Argument für den Beitritt?
Die Türkei wartet seit 1964 auf die Mitgliedschaft. Irgenwann muss man klar sagen, wir wollen euch oder wir wollen nicht. Stattdessen ist die Türkei bisher immer hingehalten worden. Nun lehnt die CDU das ab, die SPD unterstützt das. Ich unterstelle der SPD strategisches Denken angesichts der vielen Wahlen in diesem Jahr. Was kann der Schröder Besseres machen, um die Stimmen der Türkischstämmigen zu bekommen, als einen Beitritt zu versprechen?
Timur Husein, Kreischef der Jungen Union, stammt auch aus der Türkei, lehnt aber einen Beitritt ab. Was ist Mehrheitsmeinung unter den Türkischstämmigen in der Berliner CDU?
Wenn Sie SPD-Mitglieder fragen, dann werden die auch nicht alle hinter Schröder stehen. Auch da gibt es Nichtakzeptanz. Und so gibt es auch bei uns unterschiedliche Meinungen.
Konkret zu Ihrer Frage: Unter den türkischstämmigen CDU-Mitgliedern, die ich kenne, sind alle für einen Beitritt. Aber es gibt natürlich welche, die ich nicht kenne.
Türkischstämmige haben in der CDU ohnehin einiges schlucken müssen. Im November tönte der sächsischer Bundestagsabgeordnete Nitzsche, eher faule einem Moslem die Hand ab, als dass er die CDU wählen würde.
Wissen Sie, wenn ich manche Äußerung vom Innenminister Schily höre, bin ich auch enttäuscht.
Aber der ist nicht in Ihrer Partei.
Gerade deshalb – die SPD gibt sich doch immer so offen. So eine Äußerung wie von diesem Nitzsche kränkt mich natürlich. Ich habe zwar seit acht Jahren einen deutschen Pass, aber natürlich weiter meine türkischen Wurzeln. Deshalb hat es mich gefreut, dass sich der Berliner CDU-Vorstand für diese Äußerung offiziell entschuldigt hat, auch wenn sie gar nicht aus dem Landesverband kam. Es gibt einfach Leute, die äußern sich, ohne zu denken.
Was bekommen Sie denn von Freunden zu Ihrer Mitgliedschaft zu hören, damals und jetzt wegen des Beitritts-„Nein“ der Parteispitze?
Samstag erst haben mir bei einer kleinen Feier mehrere Türkischstämmige gesagt, sie seien von der CDU enttäuscht. Ich hab denen gesagt, sie sollten doch auch mal die Ehrlichkeit sehen, mit der die Angela Merkel den Beitritt ablehnt – man muss auch mal Courage zeigen können. Sie verspielt damit natürlich viele Stimmen.
Im Landesverband der Union will man sich wieder stärker an das C im Namen erinnern, hat den Kirchen jüngst beim Parteitag engere Zusammenarbeit angeboten. Was bringt Sie als Muslim überhaupt zu den Christdemokraten?
Christen und Christdemokraten glauben an Gott – sage ich mir jedenfalls. Ich als Muslim auch. So haben wir doch etwas Gemeinsames: den Glauben an einen Gott. Und deswegen fühle ich mich auch wohl in der CDU. In der SPD gibt es auch Katholiken, obwohl die Partei ganz anders geprägt ist.
Die CDU gilt dennoch als weniger ausländerfreundlich als SPD oder Grüne.
Ich arbeite seit 1980 politisch, als ich den Ausländerbeirat in Charlottenburg mitgegründet habe. Ich kenne auch die Sozialdemokraten und die Grünen: Auch türkischstämmige SPD-Mitglieder haben in ihrer Partei Probleme. Widerstand gegen Türkischstämmige gibt es in jeder Partei.
Bei der CDU ist das ja unübersehbar. Bei der Landesvorstandswahl 2002 erhielten die türkischstämmigen Beisitzer die wenigsten Stimmen – trotz erheblicher Fürsprache.
Wahlen sind eine demokratische Sache. Nicht jeder muss einen Kandidaten wählen, nur weil der türkischstämmig ist.
Es fällt aber auf, dass nicht nur einer von beiden so schlecht abschnitt.
Ich kann nur wiederholen: In der CDU habe ich nicht mehr Widerstand als in anderen Parteien. Es gibt wirklich Widerstand – aber der ist nicht CDU-spezifisch.